der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… gehört aufs Glatteis, nicht auf den Rasen. Selbst wenn derzeit alle Medien einen schwulen Bundesligaprofi herbeiquengeln und dabei so tun, als sei damit das Ziel jeglicher homosexueller Emanzipation erreicht. Nein, wenn schon Sport, dann sind die wirklich schwulen Männer geschaffen für die glatte, glänzende Oberfläche, das Eis. Das war schon immer so.

Im Eiskunstlauf der Männer gingen allein 7 der 14 olympischen Medaillen der letzten 20 Jahre an Schwule, sagt ein Kenner, der schwule US-Kampfrichter Jon Jackson. Und als der Brite John Curry 1976 Olympiasieger wurde, schickte meine Schwulengruppe ein Glückwunschtelegramm nach Innsbruck, voller Stolz auf „unsere“ erste Goldmedaille. So, als sei es ein Naturgesetz, sind Grazie und Anmut, die Show und das enge Trikot die Sache der Schwulen, trotz eines Manfred Schnelldorfer oder eines Norbert Schramm, eines Rudi Cerne oder eines Stefan Lindemann, die von alledem nichts ahnten und nichts ahnen ließen.

Stattdessen – was wäre aus diesem Sport geworden ohne Ronnie Robertson oder Ondrej Nepela, ohne Toller Cranston, Brian Orser oder Rudy Galindo? Geblieben wäre eine Ansammlung unmusikalischer Kraftpakete, die nichts weiter im Kopf haben, als ihre Drehungen um die eigene Achse zu zählen. Der wirkliche Glamour kommt von den Schwulen, die ohne Rücksicht auf homophobe Preisrichter und Funktionäre auf Emotionen und Eleganz setzen.

Derzeit brilliert in dieser besonderen Disziplin der US-Amerikaner Johnny Weir. Bereits dreimal in Folge hat er den Meistertitel seines Landes gewonnen, bei den US-Meisterschaften in der kommenden Woche will er zum vierten Mal siegen. Als er bei den olympischen Winterspielen im vergangenen Jahr in Turin nur auf Rang 5 landete, nahm ihm das keiner übel, die gesamte amerikanische Presse beschäftigt nur eine Frage: Ist Weir nun schwul oder nicht? „Natürlich“, versicherte der frühere US-Meister Rudy Galindo der Chicago Tribune, sekundiert von dem schwulen Sportjournalisten Jim Buzinski: „Wenn Weir nicht schwul ist, dann bin ich’s auch nicht.“ Selbst die Washington Post fragte großformatig: „Johnny, are you queer?“

Er sei schon wieder so schwul, meint der Begründer des Magazins International Figure Skating, Mark Lund, „dass er nicht repräsentativ ist für die Community, der auch ich angehöre.“ Und: „Wir wollen Männlichkeit auf dem Eis sehen, keine männliche Primaballerina.“

Weir selbst lässt die Debatte kalt: „Mit wem ich schlafe, hat nichts damit zu tun, was ich auf dem Eis mache“, fertigt er die Journalisten ab, denen er sich schon mal als „Princess-Y“ vorstellt und Christina Aguilera als sein Vorbild skizziert. Für die Homo-Ehe tritt er ein, selbst wenn „dieses ganze Tralala in der Kirche besser zu Männern und Frauen passt“. Und attackiert die Bush-Regierung, dass sie noch immer per Gesetz Minderheiten diskriminiert. Von dem 22-Jährigen, der auch „Engel“ oder „Diva“ genannt wird, ist noch einiges zu erwarten, klare Worte und herausragende Leistungen. Und sollte er endlich bei einem internationalen Wettbewerb mal ganz oben stehen, dann ist es wieder an der Zeit für Glückwunschtelegramme aus der Gemeinde.