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AUF DEM SMARTPHONE KRITZELT ES SICH SCHLECHTDer Körper als Notizblock

Trends und Demut

VON JULIA GROSSE

Ein Kollege fragte mich neulich, ob all die Freunde, die ich in meiner Kolumne immer so mühelos zu diversen Themen aus dem Ärmel schüttele, überhaupt real seien. Natürlich sind sie das! So auch ein Kumpel aus Bochum, der in unserer Teenagerzeit eine Wette verlor und sich eine Waschmaschine auf den Rücken tätowieren lassen musste. Ja, das klingt wie die Vogelspinne in der Yuccapalme oder die Ratte in der Colaflasche, doch auch hier gilt: Es stimmt! Damals war der Akt, sich ein völlig bezugsloses Objekt in so jungen Jahren auf die Haut stechen zu lassen, ziemlich schockierend. Du versaust dir mit so einer Jugendsünde dein ganzes Leben!

Heute schaut man auf die Beine, Waden, Hälse und Bäuche von jungen Künstlern in L. A, Stylisten in New York oder Musikern in Berlin und hat das Gefühl, ihr ganzer Körper bestünde nur aus verlorenen Jugendwetten: Scheinbar wahllos verteilt über die Haut guckt man auf Donald Duck neben Turnschuh neben Schraubenzieher neben Spongebob neben Tomatensuppendose. Kürzlich bei der Art Basel sah ich einen Mann um die vierzig, der sich dazu entschieden hatte, das Tattoo eines Cheeseburgers direkt neben das eines gotischen Kirchenfensters zu setzen.

Nicht nur verliert der legendäre Drohsatz: „Damit musst du nun rumlaufen, bis du alt bist!“ zunehmend seine Wirkung. Immerhin lässt sich auch der Chef als alter Exskater längst ein Board oder den Schriftzug der Skatefirma Thrasher bewusst in den sichtbaren Bereich stechen. Von frühen Sünden kann für die vielen Spätätowierten, die sich plötzlich lässig verspielt Bart Simpson neben Munchs „Schrei“ kombinieren, nicht mehr die Rede sein.

Das Faszinierende ist aber die Verschiebung bei der Entscheidung für ein Tattoo, weg vom Bild mit tief persönlicher Bedeutung („Das ist mein Name auf Hebräisch!“, „Bei diesem Song haben wir uns kennengelernt!“, „Der Strich steht für mein Leben!“), hin zu wie zufällig daherkommenden skizzenhaften Bildern und Logos, wie man sie gedankenverloren beim Telefonieren über einen Block verteilt. Der Körper als Leinwand oder vielleicht besser: als Kritzelblock.

Seit wir nicht mehr stundenlang am Telefon mit Festnetznummer hocken und dabei kritzeln, sondern alles im Gehen und übers Touchscreen funktioniert, gibt es vielleicht eine neue Lust am Bemalen diverser Stellen des Körpers, in einer Mischung aus Mutprobe und reifem Trotz. Warum aber kommt all die Motivik so gern aus der Wundertüte der globalen Mainstreamkultur (McDonald’s, Chanel, Mickymaus)? Eine nihilistische Reaktion auf unseren immer unkontrollierter explodierenden Konsum? Das Problem ist, dass ein tätowiertes Nike-Symbol den Kapitalismus weder dekodiert noch ins Lächerliche zieht. Der Träger verwandelt sich eher in eine mobile, kostenlose Litfaßsäule. Auf Lebzeiten, denn selbst, wenn Heinz-Ketchup irgendwann Konkurs anmeldet, lebt das Tattoo der Flasche auf dem Hals oder dem Unterarm musealisiert weiter.

■ Julia Grosse ist freie Publizistin und lebt in Berlin

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