Pakistans Militär auf Extremistenjagd

Bei gezieltem Luftangriff in Südwasiristan nahe der Grenze zu Afghanistan sterben bis zu 30 Menschen. Nachdem die USA harsche Kritik am laxen Umgang Musharrafs mit al-Qaida geübt hatten, will Islamabad offenbar Stärke demonstrieren

Der Schlag gegenal-Qaida kommt einem Eingeständnis Pakistans gleich

AUS BOMBAYBERNARD IMHASLY

Mit Kampfhubschraubern hat das pakistanische Militär in der Nacht zu Dienstag einen mutmaßlichen Stützpunkt islamischer Extremisten angegriffen. 30 Kämpfer seien bei dem nächtlichen Angriff getötet worden, vermeldete Militärsprecher Shaukat Sultan gestern.

Das Dorf Samsola, Schauplatz des gezielten Luftangriffes, liegt in Südwasiristan nahe der Grenze zu Afghanistan. Unter dem Schutz paschtunischer Stämme halten sich dort zahlreiche Taliban-Extremisten versteckt. Die pakistanische Regierung hatte vor drei Jahren mit lokalen Stammesführern ein Abkommen geschlossen, das den Abzug der Armee nach sich zog. Im Gegenzug versprachen die Wasiris die friedliche Einbindung afghanischer Taliban und „fremder Kämpfer“ – sprich Al-Qaida-Mitglieder. Die Übereinkunft, die letztes Jahr im benachbarten Nordwasiristan wiederholt wurde, war international auf starke Kritik gestoßen.

Der jüngste Schlag gegen mutmaßliche Terrorzellen der al-Qaida kommt einem Eingeständnis Islamabads gleich, das nicht müde wird, seine heroische Rolle als Verbündete der USA im „internationalen Kampf gegen den Terror“ zu proklamieren. Letzte Woche hatte der scheidende amerikanische Geheimdienstchef John Negroponte bei einem Kongress-Briefing erklärt, dass al-Qaida heute „aus sicheren Verstecken in Pakistan stärkere operationelle Verbindungen pflegt, die zum Mittleren Osten, nach Afrika und Europa ausstrahlen“. Das pakistanische Außenministerium hatte diese Darstellung scharf zurückgewiesen. „Pakistan hat mehr als jedes Land dieser Welt getan, um das Rückgrat der al-Qaida zu brechen“, verlautbarte das Außenministerium letzte Woche in Islamabad anlässlich eines Treffens von US-Unterstaatssekretär Richard Boucher und Pakistans Präsident Pervez Musharraf sowie Regierungschef Shaukat Aziz.

Gegenüber dem eigenen Publikum spricht Musharraf allerdings eine andere Sprache. Laut Aussagen von Innenminister Aftab Sherpao übte der Präsident am Wochenende heftige Kritik an den Geheimdienstchefs der Provinzen und erklärte sich äußerst besorgt über die Zunahme von Terrorakten, Extremismus und Sektierertum.

Der Angriff Pakistans auf Extremisten im eigenen Land fiel zeitlich mit dem Antrittsbesuch des neuen amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates in Afghanistan zusammen. Gates war am Montagabend in Kabul eingetroffen. Bei seinen Gesprächen mit Präsident Hamid Karsai sowie Nato- und US-Kommandeuren wird es vor allem um die militärische Vorbereitung auf die erwartete Taliban-Offensive gehen. Am Montag hatte Gates bei seinem Besuch im Nato-Hauptquartier in Brüssel davor gewarnt, dass die Taliban ihre Angriffe im Frühjahr verstärken würden. Das vergangene Jahr war das blutigste in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban Ende 2001. Bei Kämpfen und Anschlägen starben mehr als 4.000 Menschen – ein Viertel von ihnen Zivilisten.