Vivantes lässt sich ein bisschen feiern

KRANKENHAUS Der landeseigene Klinikkonzern wird zehn und steht vor massiven Herausforderungen

„Es wird spannend, was der Senat uns bieten kann“

VIVANTES-CHEF JOACHIM BOVELET

Joachim Bovelet war ausgesprochen gut gelaunt am Donnerstag. Zehn Jahre Vivantes, ein Festakt im Roten Rathaus, die Politik klopfte dem Klinikchef auf die Schultern und gelobte bei Schnittchen und Sekt Unterstützung. Es wurde tatsächlich gefeiert – das ist bemerkenswert, denn allzu stabil ist die Harmonie zwischen dem landeseigenen Konzern und seinem obersten Chef, dem Senat, nicht.

Vivantes hat eine turbulente Zeit hinter sich. 2001 als kommunaler Verbund mehrerer Häuser gegründet, musste das Unternehmen mühsam intern zusammenfinden. 2004 stand der Konzern vor der Pleite und überlebte nur, weil das Land Altschulden in Eigenkapital umwandelte. Seitdem wurde die Klinik mit etwa 5.200 Betten und 13.000 Mitarbeitern an der kurzen Leine gehalten; Vivantes-Chef Bovelet sparte beim Personal und den Sachkosten, setzte Standortschließungen durch und schaffte so aus eigener Kraft den Weg in die schwarzen Zahlen.

Während die ebenfalls landeseigene Charité nun vom Senat dringend benötigte Millionen für Investitionen erhält, bleibt für Vivantes fast nichts übrig. Das sei intern bisweilen schwierig zu kommunizieren, gestand Bovelet. Den Sanierungsbedarf beim Mitbewerber Charité stellte er dabei nicht infrage.

Der wirtschaftlich und effizient denkende Geschäftsführer wünscht sich seit Langem mehr Unabhängigkeit vom Land. Könnte er eigenständig Kredite aufnehmen, wäre er sehr viel flexibler bei Sanierung und Neubauten. Bovelet hat immer wieder die Umwandlung in eine kommunale Aktiengesellschaft ins Gespräch gebracht. Sie könnte durch hohe Renditen oder Wachstum an Geld kommen, sagte er am Donnerstag erneut. Vorbild dafür wären die Krankenhäuser in Fulda und Kassel. Vivantes könnte sich mit anderen kommunalen Kliniken in Brandenburg zusammenschließen; dieser Verbund wäre geschützt vor Privatisierungen und könnte effizient arbeiten, so Bovelet.

In den kommenden fünf Jahren benötigt Vivantes eigenen Berechnungen zufolge 265 Millionen Euro. Das Land Berlin habe pro Jahr allerdings nur etwa 60 Millionen Euro für die Krankenhäuser ohne die Charité zur Verfügung, sagte die zuständige Senatorin Katrin Lompscher. 30 Millionen Euro habe sie zusätzlich beantragt für 2012. Als Politikerin der Linken kann sie sich nicht mit Aktiengesellschaften oder anderweitigen Freiheiten für landeseigene Betriebe anfreunden – aber weil ja Geburtstag war, sprach sie von einer „hochinteressanten Idee“ und sagte: „Ich bin offen für Diskussionen.“

Bovelet lächelte freundlich. Er weiß, dass mit Lompscher noch die harmlosere Senatorin an seiner Seite saß: Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) entscheidet letztlich übers Geld. Dass der sich mit Lompscher nicht grün ist, war unschwer am monatelangen öffentlich ausgetragenen Streit über die Zukunft der Charité zu erkennen.

Irgendwoher indes werden die Mittel kommen müssen. Bovelet deutete an, dass der Sparspielraum bei Personalkosten so gut wie ausgereizt ist, zudem darf bis 2016 betriebsbedingt keiner gekündigt werden. Das Ende des Standorts Prenzlauer Berg ist besiegelt, mehr ist auch bei der räumlichen Konzentration nicht drin. Zugleich verdeutlicht die marode bauliche Substanz der Charité, was bei jahrelangem Investitionsstau passiert: Die Schließung einer Kantine dürfte nur die Spitze eines Eisbergs sein. Dass die Fassade am Steglitzer Franklin-Klinikum noch hält, grenzt an ein Wunder.

Vivantes braucht nach eigenen Angaben 265 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren

Vivantes-Chef Bovelet hat im vergangenen Jahr wohl einen Gewinn von fast 6 Millionen Euro erwirtschaftet, deutlich mehr als geplant: Er hat seine Hausaufgaben gemacht. Auch in diesem Jahr dürfte sich der Konzern gut entwickeln. Wenn die Jubiläumsfeiern erst abgeräumt sind, wird Bovelet seine Forderungen an die Politik auch wieder deutlicher stellen. Derzeit fühle er sich gut unterstützt, sagte Bovelet. „Die politisch Verantwortlichen setzen sich inzwischen für uns ein.“ Er fügte eine freundlich verpackte Kampfansage hinzu: „Es wird spannend sein zu gucken, was der Senat uns bieten kann.“

KRISTINA PEZZEI