Eine linke Lösung

DFB Beim 1:1 gegen Italien müssen die in die deutsche Nationalmannschaft drängenden Nachwuchskräfte feststellen, dass die WM-Fahrer vorerst noch fest im Sattel sitzen

In der Torschützenliste der Primera Division liegen Lionel Messi und Cristiano Ronaldo mit 24 Treffern gleichauf. Und auch beim direkten Duell Argentinien gegen Portugal trafen beide. Messis Elfmetertor in der 90. Minute zum 2:1 war aber etwas mehr wert. Auch Spanien gewann gegen Kolumbien dank eines Last-Minute-Tors. David Silva erlöste den Welt- und Europameister erst in der 86. Minute. Frankreich setzt dagegen den fußballerischen Wiederaufbau nach der Skandal-WM fort, gegen Brasilien gewannen die Bleus mit 1:0 und fuhren damit den fünften Sieg in Folge ein. Souverän auch Vizeweltmeister Niederlande, die den deutschen EM-Quali-Gegner Österreich mit 3:1 bezwangen. Sowohl Schalke-Profi Jan-Klaas Huntelaar als auch der bei Bremen spielende Österreicher Marco Arnautovic konnten sich in die Torschützenliste eintragen. Lothar Matthäus dagegen schrammte mit seinen Bulgaren gegen Estland nur knapp an einer Blamage vorbei. Ein Elfmeter in der 90. Minute sicherte das glückliche 2:2. CHI

AUS DORTMUND ANDREAS RÜTTENAUER

Das war neu. Das hat es in der Ära des Bundestrainers Joachim Löw schon lange nicht mehr gegeben: ein Freundschaftsspiel, bei dem man der deutschen Fußballnationalmannschaft angesehen hat, dass sie gewinnen wollte. Geklappt hat es trotzdem nicht. Die Deutschen wollte schon wieder kein Sieg gegen Italien gelingen, darauf warten sie jetzt schon 16 Jahre. Dass das 1:1 eine bisweilen überaus hübsch anzusehende Show wurde, lag indes nicht nur daran, dass die Deutschen endlich mal wieder Italiens Auswahl schlagen wollten. Es geht um die Plätze für das Team, das die Qualifikation zur Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine sicherstellen soll.

Die WM-Fahrer, die Joachim Löw in seiner bewährten 4-2-3-1-Formation auf den miserablen Rasen des Dortmunder Stadions auf den Platz geschickt hat, haben sicher mitbekommen, was in dieser Bundesligaspielzeit geschehen ist. Eine Reihe von blutjungen Spielern, die meisten davon beim Tabellenführer Borussia Dortmund unter Vertrag, haben sich in Stellung gebracht. Auch Joachim Löw hatte vor dem Spiel ausdrücklich seiner Freude darüber Ausdruck verliehen, dass er auf immer mehr begabte Nachwuchskicker zurückgreifen kann. Während des Spiels wird allerdings nicht nur er festgestellt haben, dass es für die Bubis vorerst schwer bleiben wird, ins Team zu kommen.

Beispiel Mario Götze. Der 18-Jährige, der nach der Pause für den nicht eben überragenden, aber im Augenblick der Torvorbereitung genialen Thomas Müller eingewechselt wurde, mag in der Bundesliga begeistern können. Vor dem Dortmunder Publikum, das ihn allwöchentlich feiert, durfte er aber registrieren, dass es gar nicht so einfach ist, einen italienischen Verteidiger zu umdribbeln. Joachim Löws Zweikampfvermeidungsspiel hat Götze ebenso wenig verinnerlicht wie Kevin Großkreutz, ein anderer Dortmunder Junge, der sich ein paar Minuten auf dem Platz versuchen durfte. Und Mats Hummels, der Verteidiger, der bei Borussia Dortmund eine so überragende Saison spielt, leitete mit einem verunglückten Befreiungsschlag den Ausgleich der Italiener in der 81.Minute ein. Auch er scheint noch nicht so weit zu sein, die WM-Fahrer zu verdrängen. So gab es an diesem unentschiedenen Abend zwei Gewinner, mit denen vor dem Spiel kaum einer gerechnet hatte. Innenverteidiger Holger Badstuber, der sich beim FC Bayern zuletzt regelrecht blamiert hatte, und Linksverteidiger Dennis Aogo, der wegen Verletzungen in dieser Saison erst sechs Mal für den Hamburger SV aufgelaufen ist.

„Er kann noch besser spielen“, sagte Löw nach der ordentlichen Partie von Aogo und ließ kaum einen Zweifel daran, dass er den Spieler weiterhin fördern wird. „Eine linke Lösung“ strebe er für die Position auf der linken Abwehrseite an. Die Versuche, Rechtsfüßer auf links zu stellen, seien allesamt nicht überzeugend gewesen. Linksfuß Aogo wird fürs erste Löws linke Lösung bleiben. Badstuber ist als Ausbildungsprojekt Löws nach Südafrika mitgenommen worden. Jetzt soll er das Vertrauen zurückzahlen. Dass der letzte italienische Star in der Offensive, Antonio Cassano, von der Sportpresse seines Heimatlandes so verrissen wurde, lag auch an Badstuber. Er ließ den eigenwilligen Stürmer oft schlecht aussehen und sammelte Punkte im Kampf um einen Platz im EM-Quali-Team.

Dass Badstuber überzeugen konnte, lag sicher auch daran, dass die großen Leistungsträger der Mannschaft inzwischen eine beeindruckende kreative Sicherheit an den Tag legen. Mesut Özil, der sich vom statischen Spielmacher zu einem läuferisch starken Ballbeschleuniger entwickelt hat, ist einfach ein Hingucker. Ebenso beeindruckend ist, wie Bastian Schweinsteiger das Spiel anzuschieben weiß. Er ist für Löw auf der Sechs unverzichtbar. Ihn als Spielmacher einzusetzen, wie es Louis van Gaal bei den Bayern tut, käme dem Bundestrainer nie in den Sinn – zumindest seit der letzten WM. Und hinten hat Philipp Lahm längst das Kommando in der Viererkette übernommen von Per Mertesacker, dessen Postitionsspiel nicht allzu überzeugend war.

Und vorne? Da wirft sich Miroslav Klose ins Gewühl. Auch der erfahrene Torschütze zum 1:0 in der 16. Minute, der schon lange nur noch in der Nationalelf Stammspieler ist, kann sich in aller Gemütsruhe ansehen, wie sich die jungen Wilden in der Bundesliga austoben.

Und warum haben sie dann nicht gewonnen, diese Superdeutschen? „Weil wir es nicht geschafft haben, das Tempo über neunzig Minuten hochzuhalten“, meinte Löw. Es war dann halt doch nur ein Freundschaftsspiel. Wäre es keines gewesen, da waren sich nach dem Spiel alle sicher, auch der italienische Trainer Cesare Prandelli, der vor dem Spiel ein Debakel befürchtet hatte, dann hätten die Deutschen gewonnen. Es hat sich doch etwas getan in diesen sieglosen 16 Jahren. Deutschlands Auswahl ist besser als Italiens – eigentlich.