Lustreise zum Landgericht

Der Ex-VW-Manager hat durch einen Deal erreicht, dass die Staatsanwaltschaft mit ihm wegen der Bestechungsaffäre sehr kurzen Prozess macht

aus Hannover Jürgen Voges

Vier Frauen und ein Mann werden in Braunschweig auf der Richterbank sitzen, wenn sich der ehemalige VW-Personalchef Peter Hartz heute im Saal 141 des Landgerichts wegen schwerer Untreue in 44 Fällen und wegen Begünstigung eines Betriebsratsmitgliedes verantworten muss. Damit beginnt der erste Prozess um die VW-Affäre, die vor allem durch Schmiergelder und Lustreisen, Bordellbesuche und Sexpartys auf Firmenkosten Schlagzeilen machte. Wegen ihrer Verwicklung in den Skandal traten unter anderem Betriebsratschef Klaus Volkert und Hartz selbst zurück. Der 65-jährige Angeklagte muss allerdings nicht fürchten, vor der 6. Großen Strafkammer schlüpfrige Details der Affäre ausbreiten zu müssen.

Dafür sorgt ein Gegengeschäft, auf das sich Hartz, sein Verteidiger Egon Müller und die Vertreterin der Anklage, Oberstaatsanwältin Hildegard Wolff verständigt haben und das den gesamten Ablauf des Prozesses bestimmen soll. Hartz hatte schon vor der Erhebung der Anklage ein Geständnis abgelegt. Dafür kamen die schlüpfrigen Details der Affäre schon in der Anklage gegen den ehemaligen VW-Manager nicht mehr vor.

Hartz räumte bei der Staatsanwaltschaft ein, er habe zwischen 1994 und 2005 dem Ex-Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert Sonderbonuszahlungen in einer Gesamthöhe von 1,949 Millionen Euro zukommen lassen. Das Unternehmen Volkswagen will er darüber nicht informiert, die notwendige Genehmigung des zuständigen Firmenausschusses will Hartz nicht eingeholt haben.

In seinem Geständnis übernahm Hartz zudem die Verantwortung für die Zahlungen von VW in Höhe von knapp 400.000 Euro an die ehemalige Freundin von Volkert, Adriana Barros, und räumte ein, dass ein mit Barros abgeschlossener Agenturvertrag nur Zahlungen ohne Gegenleistungen verschleiern sollte. Auch weitere Vergünstigungen in Höhe von 218.000 Euro, vor allem Reisekosten und Spesen, die VW für den Ex-Betriebsratsvorsitzenden und seine Freundin bezahlt haben soll, nahm Hartz auf seine Kappe. Im Gegenzug kamen schon in der Anklage die schlüpfrigen Vergnügungen, die auch Hartz möglicherweise auf Firmenkosten in Anspruch genommen haben könnte, nicht mehr vor.

Staatsanwältin Wolff fasste den Deal jüngst mit den Worten zusammen: „Wie lassen keine Prostituierten aufmarschieren, und im Gegenzug führt Hartz sein Geständnis über die Sonderbonuszahlungen genau aus“, sagte Wolff überraschend deutlich der Zeit.

In der Abmachung verständigte man sich auch über den Ablauf des Verfahrens und dabei auf einen möglichst kurzen Prozess. So hat die Kammer für die Verhandlung gegen Hartz nur zwei Prozesstage angesetzt. Nach Angaben von Landgerichtssprecher Ingo Groß sind keine Zeugen geladen. Nach dem Geständnis des Angeklagten sollen alle weiteren nötigen Beweismittel im sogenannten Selbstleseverfahren in den Prozess eingeführt werden. Alle Verfahrensbeteiligten sollen für sich in den Akten nachlesen, was sich sonst noch zugetragen hat. Am zweiten Prozesstag werden in der kommenden Woche schon Plädoyer und Urteil erwartet. Vermutlich ist auch eine Strafe von knapp zwei Jahren, die dann zur Bewährung ausgesetzt wird, Teil des Geschäftes. Spannend könnte allerdings noch die Frage werden, ob Hartz mit oder ohne Rückendeckung des damaligen Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch oder dessen Nachfolger Pischetsrieder handelte.

Von den 44 Untreue-Taten, die Hartz heute gestehen soll, erfüllen 23 nach Auffassung der Staatsanwaltschaft zugleich den strafbaren Tatbestand der Begünstigung eines Betriebsratsmitgliedes. Eine Verurteilung aufgrund dieser Vorschrift aus dem Betriebsverfassungsgesetz wäre für die deutsche Justiz ein Novum. Begünstigter Betriebsrat war natürlich Klaus Volkert. Dessen Anwalt Johann Schwenn sieht in dem von Hartz ausgehandelten Deal denn auch einen Kuhhandel zu Lasten seines Mandanten.