Gabriels Eigenlob

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Sigmar Gabriel lobte gestern den Umweltminister. Er müsse es tun, „weil es ja sonst keiner macht“, sagte der SPD-Politiker.

Knapp neun Prozent des Strom-, Treibstoff- und Wärmebedarfs würden in Deutschland bereits durch erneuerbare Energien gespeist. Zudem werde die Wärmedämmung von Altbauten in diesem Jahr mit 1,4 Milliarden Euro gefördert. Das sei viermal so viel wie im Jahr zuvor, sagte der Umweltminister. Die Investition lohne. Denn „jede Milliarde Euro, die in die Gebäudesanierung gesteckt wird, sichert 25.000 Jobs in der Baubranche“. Außerdem gehe weniger Energie einfach zum Fenster raus.

Gabriel stützt sein Eigenlob auf Daten aus dem „Umweltbericht 2006“, den gestern das Kabinett verabschiedet hat. Alle vier Jahre muss die Bundesregierung Rechenschaft über ihre Umweltpolitik ablegen. Bislang wurde der Bericht immer am Ende einer Legislaturperiode herausgegeben. Diesen Rhythmus brachten die vorgezogenen Wahlen 2005 aber durcheinander.

Gabriel stellte nun vor allem seine Pläne vor. Bilanz der rot-grünen Vorgängerregierung zog er nicht. Er sagte nur: „Es gibt eine Menge Kontinuität, weil die Umweltpolitik international vorgegeben wird.“ Das bestätigt auch der Berliner Forscher Martin Jänicke. Er ist Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen und sagt: „Jeder hätte nach der Wahl 2005 mit einem Rückschlag für die Umweltpolitik gerechnet.“ Doch er sei nicht gekommen. „Dass alles perfekt ist, heißt das aber nicht.“

Wie sein Amtsvorgänger, der Grüne Jürgen Trittin, hält Gabriel den Kampf gegen das Treibhausgas Kohlendioxid für die wichtigste Herausforderung. Im großen Geschütz der Klimapolitik, dem von Brüssel verordneten Abgashandel, hat er sich aber schon verstrickt. Zwar schimpft die Industrie, sie bekäme zu wenig Emissionsrechte. Die Ökogemeinde jedoch meint, der Minister heble die Klimapolitik aus – und verschaffe dreckiger Kohle eine Renaissance. Entscheidend ist das Wort der EU-Kommission: Und sie beklagt, dass Gabriel die Industrie zu großzügig mit Emissionszertifikaten ausstattet. In Zahlen: Brüssel will nur einen Ausstoß von 453 Millionen Tonnen an klimaschädlichem Kohlendioxid pro Jahr zulassen, Gabriel 465 Millionen Tonnen. Der ehemalige Ministerpräsident Niedersachsens gab sich gestern jedoch zuversichtlich: „Bis Ende Januar haben wir das geregelt.“ Der Klimastreit ist die erste große Prüfung für ihn.

Vor gut einem Jahr ist Gabriel angetreten. Seitdem will er Umweltschutz und Wirtschaft versöhnen – mit einer „ökologischen Industriepolitik“. Dem Umweltbericht gab er denn auch den Untertitel „Umwelt –Innovation – Beschäftigung“. Umwelttechnik sichere Wachstum, meint der Minister.

Er zählt Windkraftanlagen, Solarzellen, Müllöfen zu Umweltgütern. Ihr Anteil an allen produzierten Industrieprodukten macht derzeit gut fünf Prozent aus. Deutschland sei in der Umwelttechnik weltweit führend. Das sei eine „ausgezeichnete Bilanz“ – mit einem blinden Fleck.

Denn die deutschen Autokonzerne, so sagte Gabriel, hätten „ein Problem“. Ihre Motoren seien nicht sauber genug. Das sei allerdings ein „hochstrittiges Thema, das viel Fingerspitzengefühl braucht“. Gabriel will darum selbst auch keine neuen Auflagen vorschlagen – „die EU-Ebene muss reagieren“, sagt er. Im Februar gebe es in Brüssel auch „erste Orientierungsgespräche“.

Ende Dezember hatte sich Gabriel erst gegen ein Tempolimit ausgesprochen. Der Präsident des Umweltbundesamtes, das dem Ministerium untersteht, hatte eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 Kilometer pro Stunde gefordert – als einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.

Kämpferisch gab sich Gabriel gestern nur gegenüber der Atomindustrie. „Der Vertrag zum Atomausstieg wird nicht neu verhandelt.“ 2020 seien die deutschen Atomkraftwerke alle vom Netz.

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