leserinnenbriefe
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Kuren in Baden-Baden

■ betr.: „Westen verpennt Revolution“, taz vom 7. 2. 11

Die lokalen und globalen politischen oder wirtschaftlichen Zukunftsstrategien müssen mehr denn je Zusammenhänge herstellen und realistisch bewertet werden können.

Trotz aller „Think Tanks“ hier und dort zeigt nichts besser als die gegenwärtige politisch reservierte Haltung von europäischen und amerikanischen Politikern deren Mangel an vorausschauender Achtsamkeit gegenüber der scheinbar unerwarteten Revolution in nordafrikanischen Staaten. Ich wage zu behaupten, dass bei systemisch analysierter Politikentwicklung die deutlichen Zeichen einer Veränderung in den gegenwärtigen nordafrikanischen Brennpunktstaaten von EU- und USA-Politiker eher erkannt worden wären. Jetzt mit einer „gespielten“ achtsamen Politik – wie auf der Münchener Sicherheitskonferenz durch Frau Clinton, Frau Merkel u. a. deutlich wird – zu reagieren, ist politisch unklug, um nicht zu sagen völlig deplatziert!

Diese beiden Damen zeigen nichts anderes als ihre völlige Inkompetenz, in Zusammenhängen zu denken. Wer darüber hinaus sich noch exponiert – wie Merkel – und die nordafrikanische Länderrevolution mit dem Berliner Mauerfall vergleicht und langsame Schritte politischer nordafrikanischer Systemwechsel fordert, nachdem vorher deren Potentaten finanziell gehätschelt wurden und Mubarak mit allem Pomp in Baden-Baden kuren durfte, hat gänzlich jede Reputation verloren. Mit Mubarak als Kurschatten in Baden-Baden zu kuren wäre für Merkel das Angemessene. UDO KÜPPERS, Bremen

Wie wäre es mit Fortbildung?

■ betr.: „Karlsruhe versus Straßburg“, taz vom 9. 2. 11,„Richterin: Auch Mörder haben Rechte“, taz vom 8. 2. 11

Ich möchte die Haltung der Karlsruher Richter erweitern. In dem Grundsatz- und Grundwertekonflikt, ob Sexualstraftäter über ihr Strafmaß hinaus „präventiv“ sicherheitsverwahrt werden dürfen, geht es nicht nur um das „legitime“ Sicherheitsinteresse der Bevölkerung gegen das Freiheitsinteresse und Freiheitsrecht des Mörders, der seine Strafe „legitim“ abgesessen hat. Es geht den Karlsruher Richtern auch um die Fürsorgepflicht gegenüber dem Mörder. Diese Mörder, die ihr Leben lang von der Gesellschaft alleingelassen wurden, werden auch nach Haftverbüßung weiterhin alleingelassen. Die Karlsruher Richter nehmen dies sehr realistisch zur Kenntnis und „versorgen“ ihre Klienten mit „etwas Gesellschaft“ in der Sicherheitsverwahrung.

Die ehemalige Richterin des EuGH für Menschenrechte, Renate Jaeger, wünscht sich hingegen eine bessere Beschäftigung mit den Tätern innerhalb ihrer Haftzeit nach skandinavischem Vorbild. Wer sollte einer erfolgreichen Therapie widersprechen? Wie wäre es mit Fortbildungen von deutschen Justizvollzugsbeamten und psychologischem Dienst in Skandinavien und Fortbildungen in Deutschland durch skandinavische Therapeuten? Würde der Knoten nicht da gelöst, wo er steckt? In der sozialtherapeutisch mangelhaften Versorgung von abweichend Auffälligen in Haftanstalten und nicht zwischen unserem Grundgesetz und der europäischen Menschenrechtskonvention? MARTINA KEILBART, Bielefeld

Anreiz statt Zwang

■ betr.: „Liberale brauchen Frauen“, Kommentar von Simone Schmollack, taz vom 10. 2. 11

Die FDP braucht Frauen, und die FDP hat Frauen, und zwar nicht, weil ein wohlmeinender Staat ihr einen willkürlich festgesetzten „weiblichen Anteil“ planwirtschaftlich verordnet hat, sondern weil sich diese Frauen sehr freiwillig bei dieser Partei sehr engagiert einbringen.

Das Ziel ist unstreitig, bloß der Weg bietet die Aufgaben. Der Unterschied ist: Andere Parteien wollen – ganz wie im Fünfjahresplan in so manch früherem Landesteil – ein Ergebnis verordnen; die FDP setzt lieber am Weg an. Anreiz statt Zwang. FREDERICK RICHTER, Berlin