„Lobby hat Abgeordnete beeindruckt“

FINANZEN Die Regierung will Bankkunden vor faulen Investments schützen. Am Freitag verabschiedet der Bundestag das Gesetz. Nur: Geschlossene Fonds zum Beispiel reguliert es nicht, sagt Experte Tenhagen

■ Der 48-Jährige ist Chefredakteur von Finanztest, dem Verbraucher-Finanzmagazin der Stiftung Warentest. Nebenbei sitzt er im Aufsichtsrat der taz-Genossenschaft.

taz: Herr Tenhagen, die Regierung verspricht, die Bankberatung werde besser – per Gesetz, das der Bundestag heute verabschiedet. Kunden werden vor Fehlinvestments geschützt?

Hermann-Josef Tenhagen: Zumindest erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde vernünftig beraten wird. Bisher setzen sich die Bankangestellten nicht ausreichend mit dem Kunden auseinander, sie wissen nicht, wer da vor ihnen sitzt. So verkaufen sie Produkte, die nicht zu dem Kunden passen.

Das korrekte Beratungsgespräch läuft dann wie?

Der Berater kann nicht mehr einfach so ein Wertpapier empfehlen, er muss zunächst einen Haufen Fragen stellen. Er muss nach dem Einkommen, nach dem Vermögen, nach der Risikobereitschaft fragen. Und der Kunde muss diese Fragen bitte auch beantworten. Der Verkäufer muss dann beides, Fragen und Antworten, dokumentieren.

Und dann verkauft der Berater doch, was er will?

Nein, erst wenn er im Beratungsprotokoll erklärt, dass die Aktien genau die richtigen für den Kunden sind, darf er das Geschäft machen. Das ist künftig leichter zu überprüfen.

Aber was heißt schon richtig, wer will das kontrollieren?

Immerhin werden die 300.000 Berater der Banken und Sparkassen bei der Finanzaufsicht Bafin registriert, sie müssen eine Ausbildung nachweisen und können bei wiederholten Kundenbeschwerden und krassen Fehlern für zwei Jahre von der Beratung ausgeschlossen werden. Setzt die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin das tatsächlich um, sind wir einen Schritt weiter.

Es gibt Schlupflöcher?

Die Frage ist, wie wild eine Behörde entschlossen ist, den Übeltätern an den Kragen zu gehen. Die Bafin hat leider eine Tradition, die nicht von wilder Entschlossenheit zeugt.

Wovor müssen sich Kunden besonders in Acht nehmen?

In dem Gesetz gibt es eine Lücke so groß wie ein Scheunentor – der graue Kapitalmarkt, der grau heißt, weil er so wenig beaufsichtigt wird. Darunter fallen geschlossene Fonds, über die sich Anleger an Häusern, Schiffen, Windanlagen mit hohem Verlustrisiko beteiligen. Die werden von freien Vermittlern vertrieben, die zumeist dicke Provisionen kassieren. Ursprünglich wollte Finanzminister Wolfgang Schäuble den Verkauf geschlossener Fonds stärker regulieren.

Ursprünglich hatte das Gesetz auch mal 68 Seiten, dann wurde es auf 45 geschrumpft …

Die Länge macht ein Gesetz nicht unbedingt besser, aber die Finanzverkäufer haben Abgeordneten Briefe geschrieben. Diese haben sich beeindrucken lassen, und nun soll es für den grauen Markt ein eigenes Gesetz geben. Das macht keinen Sinn, da für alle Finanzprodukte gleiche Regeln gelten sollten.

Wie erkenne ich gute Berater?

Die meisten Bankberater wollen ihren Kunden nichts Böses, sie wollen ihre Kunden behalten. Aber sie sollen auch viel verkaufen und verdienen. Da hilft nur eins: auf Augenhöhe sein mit dem Berater. Jede Bank muss künftig auf zwei Seiten Produktinformationen liefern, etwa erklären, wie viel Profit sie mit einer Anlage machen. Das sollte sich jeder genau angucken.

INTERVIEW: HANNA GERSMANN