Ermittlungen im Luxushotel

BETRUG Die Spur des Schwarzmarktrings führt zu den Fifa-Bossen. Ein mutmaßlicher Hintermann wurde bereits festgenommen

Fürs Finale soll er noch mindestens 25-VIP-Tickets im Angebot gehabt haben, für jeweils etwa 16.800 Euro

AUS RIO DE JANEIRO UND BERLIN MARTIN KAUL
UND JANTO RÖSSNER

Als sie hier vor dem Haupteingang dieses Prachtbaus neulich die vielen Polizeiautos stationiert haben und die bewaffneten Polizisten, hatte sich die brasilianische Polizei eher so auf Taschendiebe vor dem Hotel eingestellt. Sie wollten die vielleicht wichtigsten Gäste des Landes gut schützen: Die Fifa-Funktionäre, die während der Fußballweltmeisterschaft hier in Brasiliens prächtigstem Hotel, dem Copacabana Palace, residieren. Inzwischen hat sich die Lage etwas geändert: Fast täglich ist die Polizei nun hier im Hotel selbst mit den großen Kronleuchtern unterwegs, um Kriminelle zu finden. Denn dort, wo die Fifa ihr WM-Camp aufgeschlagen hat, sitzt offenbar auch die Zentrale eines riesigen Ticketkartells, das auf dem Schwarzmarkt bereits Millionen umgesetzt haben dürfte.

Am Montagnachmittag brasilianischer Zeit war die Kriminalpolizei von Rio de Janeiro mal wieder zu Besuch. Diesmal machte sie einen dicken Fang: Raymond Whelan, Chef des Fifa-Ticket-Vertriebspartners Match Hospitality, kam in Untersuchungshaft. Allerdings wurde er am Dienstagmorgen vorläufig wieder freigelassen, da er sich zur Kooperation mit der Polizei bereit erklärte.

Die Firma, die wie die Fifa ihren Sitz in Zürich hat, ist exklusiver Fifa-Partner, wenn es um den Vertrieb von Tickets und sogenannten Hospitality-Paketen geht. Mit 445.500 Tickets ging demnach knapp ein Achtel des gesamten Turnierkontingents von 3,7 Millionen an die Firma, an der im Übrigen auch ein Unternehmen namens Infront Anteile hält, deren Chef Philippe Blatter ist, Neffe des Fifa-Präsidenten.

Millionen Dollar Umsatz

Nachdem in der letzten Woche der Chef der Firma Atlanta Sportif, Mohamadou Lamine Fofana, und zehn weitere Personen als Ticketdealer enttarnt und festgenommen worden waren, veröffentlichte Match die Namen von drei weiteren Firmen, die ihre Pakete gekauft hatten. Die indische Reliance Industries Ltd., Jet Set Sports aus New Jersey und die nigerianische Firma Padmodzi waren nach der Festnahme Fofanas ins Fadenkreuz der brasilianischen Behörden geraten. Match blockierte daraufhin die Pakete für das anstehende Halbfinale und das Finale. Fofana hatte in einem von der Polizei mitgeschnittenen Gespräch gesagt, er habe noch fünfzig Karten für das Finale. Der TV Sender Globo hatte das Gespräch im Magazin „Fantástico“ veröffentlicht.

Die Polizei geht davon aus, dass sie nun mit Raymond Whelan den Hintermann des internationalen Händlerrings um Fofana gefunden hat, der nach Angaben der Behörden schon bei den letzten drei Fußballweltmeisterschaften rund 90 Millionen Dollar pro WM verdient haben soll.

Fofana verfügte als mutmaßlicher Mittelsmann Whelans offenbar über hervorragende Verbindungen in den brasilianischen Fußballverband und zur Fifa. Sein WM-Apartment in Rios Nobelvorort Barra da Tijuca soll ihm der brasilianische Ex-Nationalspieler Júnior Baiano finanziert haben. Auch Brasiliens Ex-Spieler und -Nationalcoach Carlos Dunga muss in der Sache aussagen, ebenso wie der Vater des inzwischen verletzten Stürmerstars Neymar. Er war bei Brasiliens Spiel gegen Chile im Stadion auf einem Sitzplatz direkt neben Fofana gesichtet worden. Die Polizei will wissen: Hatte er sein Ticket auch aus dessen Beständen bezogen?

Die Gruppe richtete sich offenbar an vermögende Touristen und Geschäftsleute – mit einem ganz besonderen Last-Minute-Service. Für das Finalspiel soll Fofana noch mindestens 25-VIP-Tickets im Angebot gehabt haben, die für jeweils 51.000 Reais, etwa 16.800 Euro, verkauft werden sollten. Die Tickets waren ursprünglich für Nichtregierungsorganisationen, Diplomaten und Sponsoren gedacht und stammen aus Fifa-Beständen.

Am Montag berichteten brasilianische Medien dann, dass Fofana in den vergangenen Monaten über 900 Telefonate zu offiziellen Telefonnummern der Fifa geführt haben soll. Die Fifa rückte daraufhin die Nummern ihrer Funktionäre raus – und siehe da: Die Bosse sind’s.

Als Polizisten Raymond Whelan am Montagnachmittag in dem Luxushotel festgenommen, in dem auch Fifa-Chef Joseph Blatter untergebracht ist, fanden sie bei ihm nach Polizeiangaben 131 Tickets. Unklar ist noch, ob die Bestände des Händlerrings auch jene sind, aus denen derzeit an der Copacabana noch im großen Stil Karten auf der Straße vertrieben werden. Eigentlich sollen Tickets, die von Sponsoren oder Diplomaten nicht genutzt werden, an die Fifa zurückgehen und anschließend für die Öffentlichkeit zum käuflichen Erwerb zugänglich gemacht werden. So steht es zumindest in deren Statuten.

Bei eigenen Recherchen in Rios Touristenviertel Copacabana war auch die taz in der vergangenen Woche auf Schwarzmarktkarten gestoßen, die auf die Namen von Fifa-Funktionären ausgestellt waren. Wenige Stunden vor dem Deutschland-Spiel gegen Frankreich sollte eine Karte der günstigsten Preisklasse umgerechnet rund 500 Euro kosten. Ein Mittelsmann hatte berichtet, er habe an diesem Tag bereits 20 Karten vermittelt.

Die Karten, die der taz angeboten wurden, waren ursprünglich auf die Fifa ausgestellt. Vielleicht ein Grund, warum der Weltverband von den Behörden nicht in die Ermittlungen eingeweiht werden soll.