Biokunden haben zu großen Appetit

Ab morgen gibt’s auf der Grünen Woche wieder jede Menge Biolebensmittel. In der Branche steigt die Nachfrage dieses Jahr um 17 Prozent. Brandenburgs Bauern hätten allen Grund zum Jubeln, aber sie kommen mit der Produktion nicht hinterher

VON ULRICH SCHULTE

Die Biokartoffel ist in einer beneidenswerten Situation. Das Feldfrüchtchen ist – ebenso wie andere Bioprodukte aus Brandenburg – so heiß begehrt, dass die Bauern im Nachbarland kaum mit der Produktion nachkommen. „Das Marktwachstum ist rasant, gleichzeitig war die Ernte im vergangenen Jahr schlecht. Wir haben deshalb ernsthafte Versorgungsengpässe“, sagt Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau (FÖL). Es fehle besonders an Obst und Gemüse.

Dabei kommt ihnen der riesige Absatzmarkt vor der Haustür zupass. Ein Fünftel der in Berlin verkauften Biowaren stammt aus Brandenburg. Und der Hunger der Berliner nach Bio wird immer größer. In diesem Jahr rechnet Wimmer mit einem Wachstum des Absatzes von 17 Prozent im Vergleich zu 2006, auch in den vergangenen beiden Jahren verzeichnete sein Verband ein Wachstum von je über 15 Prozent. „Das Kurve steigt fast exponentiell“, so Wimmer. „Der Berliner Markt schreit nach Bioprodukten aus Brandenburg.“

Biohöfe spüren den Sog der Hauptstadt. Das Landgut Pretschen, 65 Kilometer südlich von Berlin, produziert zum Beispiel Roggen, Gerste und Schikoree für die Stadt. Das Getreide geht direkt an einen Bäcker, das Gemüse an einen großen Naturkosthandel. „Wir haben keinerlei Absatzprobleme und verkaufen alles zu hohen Preisen“, sagt Geschäftsführer Sascha Philipp. Er will demnächst einen Hofladen aufmachen und redet gerade mit Banken und Handel, um die Produktion zu vergrößern.

Und die Chancen stehen immer besser, bei einer brandenburgischen Landpartie an Ökoäckern vorbeizuradeln. Knapp 130.000 Hektar werden derzeit ökologisch bewirtschaftet, Tendenz steigend – dies entspricht der Fläche der Ostseeinsel Rügen. Damit sind knapp 10 Prozent der brandenburgischen Felder in Biobauernhand. „Mit diesem hohen Prozentanteil liegt Brandenburg deutschlandweit vorn“, sagt Jens-Uwe Schade, der Sprecher des Ministeriums für Ländliche Entwicklung.

Bio boomt in Brandenburg, als eine von wenigen Branchen. Und da ist es nur hilfreich, dass Biosupermärkte wie die LPG oder Biocompany ihre Filialen längst über Prenzlauer Berg und Kreuzberg hinaus eröffnen. Und dass jeder Aldi und Lidl inzwischen ein Bioregal besitzt (siehe Kasten). „Die Magnetwirkung Berlins wirkt sich stark aus“, bestätigt Schade. Doch bei aller Euphorie zeigen sich auch in der Biobranche die ersten faulen Stellen des Marktwachstums.

Immer mehr kleine Bauern klagen über die Nebenwirkungen der Professionalisierung des Marktes. Ralf Behring, der einen Bioland-Hof in Leuenberg betreibt, sagt: „Bauern, die auf Direktvermarktung setzen, stehen trotz der riesigen Nachfrage schlechter da.“ Wenn die Kunden den Biosupermarkt oder das Discounterangebot an der Ecke haben, sparten sie sich die Fahrt raus zum Bauernhof oder zum Ökomarkt, wo der Landwirt noch selbst verkauft, so Behrings These. „Trotz der riesigen Nachfrage findet ein Verdrängungswettbewerb statt. Und die Preise in der Direktvermarktung sinken.“ Seinen Hofladen will er gar nicht mehr betreiben. FÖL-Geschäftsführer Wimmer bestätigt in diesem Marktzweig eine Stagnation.

Doch dass Großabnehmer wie Aldi und Lidl, die hunderte Tonnen Kartoffeln auf einmal kaufen, die Preise drücken, kann er noch nicht feststellen – im Gegenteil. „Dafür ist das Warenangebot zu knapp. Erst in ein paar Jahren, wenn mehr produziert wird, können die Discounter ihre Macht ausspielen“, sagt Wimmer. Bis dahin wird sich in der Branche noch einiges tun.

Denn Brandenburger Bauern produzieren oft nur Rohstoffe wie Getreide, in den Läden der Hauptstadt sind aber gerade weiterverarbeitete Produkte gefragt – also Pizza, Joghurt oder Marmeladen. „Das ist ein Riesenfeld, das nur erschlossen werden muss“, sagt Wimmer. Betriebe könnten also eine Marktlücke erschließen, aber auch Bauern sind gefragt. „Es ist eben ein Unterschied, ob ich Kartoffeln in eine Ecke kippe oder sie gleich in Netze verpacke.“ Auch Ministeriumssprecher Schade sieht einen „Professionalisierungsbedarf“. Bisher schlummern die Biobauern den Schlaf der Gerechten. Ein Beispiel: Obwohl Brandenburg für seine trockenen Sommer berühmt ist, gibt es kein einziges Biogewächshaus.