Die Barack-Mania

aus WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Wird er der erste afroamerikanische Präsident der USA? Nichts Geringeres hat Barack Obama vor. Der 45-jährige Senator aus Illinois gab am Dienstag bekannt, dass er kandidieren will. Bislang scheiterten alle schwarzen Präsidentschaftskandidaten der Vergangenheit schon im Vorfeld. Obama, ein Polit-Newcomer und Harvard-Absolvent, will ins Rennen für die Demokraten gehen, obwohl er ein innerparteiliches Duell mit der bestens vorbereiteten Hillary Clinton zu erwarten hat.

Gerade mal zwei Jahre Senatserfahrung hat Obama vorzuweisen, doch sein Name steht längst für die Vision von besseren USA. Selbst in den Reihen der Republikaner findet es niemand absurd, dass ein solches „Greenhorn“ kandidiert. Im Gegenteil. Bereits vor den Kongresswahlen im November sprachen sich Politiker und Kommentatoren beider Parteien für seine Präsidentschaftskandidatur aus. Da hatte Obama bereits Kultstatus erlangt.

Gefeiert wie ein Rockstar

Was ist dran an Barack Obama? Bei seinen Auftritten wird er gefeiert wie ein Rockstar, Frauen umschwärmen ihn, Medien lassen längst alles stehen, wenn er gesichtet wird, und viele US-AmerikanerInnen sehen in ihm den schwarzen JFK. Kurz, es geht die „Barackmania“ um in den USA. Nachdem der Senator am Dienstag eine Arbeitsgruppe mit der Wahlkampfvorbereitung beauftragt hat, werde diese „neue Höhen erreichen“, prophezeite ein Kommentator des Senders MSNBC.

So richtig aufgefallen war Obama erstmals im Juli 2004 in Boston. Da hielt er auf dem Nationalen Kongress der Demokraten vor der Präsidentschaftswahl als junges Talent die Grundsatzrede. Mit seinem Aufruf, Mut zur Hoffnung zu haben, riss er seine Parteigenossen im wahrsten Sinne des Wortes von den Stühlen. Kurz darauf schickten ihn die WählerInnen von Illinois mit großer Mehrheit als Senator nach Washington.

Noch am Dienstag gab sich Obama selbst überwältigt von seinem kometenhaften Aufstieg. Er liegt wohl nicht falsch mit seiner Erklärung: dem „Hunger vieler Amerikaner nach einer neuen Politik“. Im Gegensatz zu Hillary Clinton hat er den Irakkrieg von Anfang an entschieden abgelehnt. Sein Markenzeichen ist jedoch nicht die laute Opposition. Obama steht vielmehr für Versöhnung und Versachlichung der Politik.

So sagte er kürzlich über den neuen Irakkurs von George W. Bush, er bezweifle nicht, dass der Präsident „aufrichtig“ daran glaube, dass die Entsendung zusätzlicher Soldaten die beste Aussicht auf Erfolg biete. Nur um dann im Folgenden den neuen Irakkurs von Bush mit sachlichen Argumenten als Ausverkauf der letzten Druckmittel der USA zu entblößen. Als „liberal mit Brückenschlag zu den moderaten Konservativen“ beschreiben ihn die US-Medien. Als einen Mann, der abwäge, bevor er spreche, und zugleich die Nähe zu den Menschen suche – gern in Hemdsärmeln wie einst die Brüder Kennedy.

Seine Kandidatur begründete Obama in einem Video auf seiner Homepage damit, dass „die Politik so bitter und parteiisch, so geldfixiert und namenshörig ist, dass wir uns nicht mehr um die drängenden Fragen kümmern können“. Offiziell will er seine Kandidatur am 10. Februar in Springfield, Illinois, dem Heimatort Abraham Lincolns, erklären.

Er habe bislang noch nichts Substanzielles gesagt, kritisieren ihn jene, die von den Demokraten einen genauen Plan für den Rückzug aus dem Irak und eine Reformagenda für die Zukunft der Sozialpolitik erwarten. Seine überwiegend jungen Fans kümmert das wenig. Ihnen gilt der Sohn eines Kenianers und einer weißen Farmerstochter aus Illinois als das „frische Gesicht“; als ein aufrichtiger, kluger Mensch, der mit Eloquenz und Nachdenklichkeit Dinge auf den Punkt bringt. Des alten politischen Establishments überdrüssig, abgestoßen von Korruptions- und Sexskandalen, des Irakkriegs müde, sehen nach Umfragen viele Amerikaner in dem gelernten Verfassungsrechtler eine neue Perspektive.

Es wird erwartet, dass Senatorin Hillary Rodham Clinton, zweifelsohne Obamas größte Rivalin, noch in diesem Monat offiziell ihre Kandidatur bekanntgeben wird. In den letzten Tagen tourte Clinton durch den Nahen Osten, offensichtlich auf der Suche nach guten Argumenten. Denn ihr werfen längst nicht nur ihre Gegner vor, den Irakkrieg anfänglich unterstützt und sich bewusst auf die Seite der Falken geschlagen zu haben – eine Hypothek, die ihr nun schwer auf die Füße fallen könnte. Dem Newcomer Obama hat sie aber vor allem eines voraus: die Fähigkeit, mit Hilfe ihres Mannes, des Expräsidenten Bill Clinton, beachtliche Summen an Dollar für den Wahlkampf einzusammeln.

Sexismus oder Rassismus

Sind die AmerikanerInnen eher sexistisch oder eher rassistisch? Längst spekulieren Kommentatoren und Leitartikler, ob nach 217 Jahren ausschließlich weißer Männer im Rennen ums höchste US-Amt ein schwarzer Präsidentschaftskandidat überhaupt Chancen hat. Oder ob das Land bereit ist für eine Frau an der Spitze des Staates, gar als Commander in Chief. Schon jetzt gilt der kommende Präsidentschaftswahlkampf vielen als einer der „neuen Fragen“: Frau gegen Mann, Weiß gegen Schwarz. Unverbraucht gegen etabliert. Das würde bedeuten, dass sich das erwartete Duell zwischen Obama und Clinton weniger taktisch-strategisch geführt wird. Die kulturelle Symbolik dagegen könnte entscheiden.

Im neuen US-Kongress sitzen erstmals 71 Frauen und 43 schwarze PolitikerInnen – das ist bislang Rekord. Umfragen der letzten Monate belegen, dass eine wachsende Zahl US-amerikanischer WählerInnen bereit wäre, eine Frau als Präsidentin zu akzeptieren. Bleibt die Frage: Werden sie Hillary Clinton auch wählen? Schwarze machen nur 12 Prozent der US-Bevölkerung aus, das reicht als Wählerbasis für Obama keinesfalls aus.

Noch stecken die USA fest im Irakdebakel, und noch hat kein US-Politiker ein gutes Rezept präsentiert, wie das Problem zu lösen ist. Das lässt für den Wahlkampf großen Spielraum – die Karten könnten sich neu mischen. Und das große Fragezeichen, das hinter Clinton und Obama stehen wird, könnte lauten: Wie hart kann Barack Obama und wie versöhnlich kann Hillary Clinton sein?