„Noch einmal zurück in den Bilderfundus“

BERLINALE Der Dokumentarfilmer Andres Veiel hat mit „Wer wenn nicht wir“ seinen ersten Spielfilm vorgelegt. Ein Gespräch über die Frühphase der RAF, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und die deutsche Familiengeschichte

Der Film: „Wer wenn nicht wir“ ist der erste Spielfilm des Dokumentaristen Andres Veiel („Black Box BRD“, „Die Spielwütigen“). In den Hauptrollen sind Lena Lauzemis, August Diehl und Alexander Fehling zu sehen. Kinostart: 10. März 2011

Die Geschichte: Im Mittelpunkt steht die Vorgeschichte der RAF: Wie Gudrun Ensslin und Bernward Vesper in den 60er Jahren versuchten, eine Liebe jenseits bürgerlicher Moralvorstellungen zu leben, während sie sich zugleich politisch radikalisierten. Ende der 60er sprengte Andreas Baader die ohnehin fragile Konstellation, Ensslin und Baader gingen in den Untergrund, Vesper schrieb das erratische Buch „Die Reise“, wurde psychotisch und wählte schließlich im Jahr 1971 den Freitod.

Der Hintergrund: Dem Spielfilm zugrunde lag Gerd Koenens Buch „Vesper Ensslin Baader“, das 2003 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist.

INTERVIEW CRISTINA NORD
UND STEFAN REINECKE

taz: Herr Veiel, warum heute noch ein Film über die RAF?

Andres Veiel: Das habe ich mich auch gefragt. Es schien ja alles gesagt zu sein. Es gab die Schüsse auf Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke, die Osterunruhen, Vietnam, dann die Gabelung der Bewegung. Die einen gingen in Institutionen, andere in K-Gruppen, wieder andere in die Gewalt. Diese etwas stereotype Bilder- und Begründungsfolge hat Gerd Koenens Buch „Vesper Ensslin Baader“ durchkreuzt. Denn es zeigt die Vorgeschichte und wie sehr die RAF Teil des deutschen Familienromans war.

Weil die Nazieltern ein Motiv für die RAF waren?

Nein, anders. Die Eltern von Gudrun Ensslin und Andreas Baader waren ja eben nicht faschistoid, sie waren nicht ins Dritte Reich verwickelt. Zumindest die Väter waren mit einem halben Schritt im Widerstand. Aber eben nur halb: Sie haben aus nachvollziehbaren Gründen, wegen der Verantwortung für die Familie, den letzten Schritt gescheut. Baaders Vater hat auf Heimaturlaub in München die Aktionen der Geschwister Scholl mitbekommen. Er wollte etwas tun, hat es aber mit Rücksicht auf seine schwangere Frau schließlich gelassen. Was hat Sie denn mehr interessiert: die Figuren als Privatpersonen oder die politische Aufladung?

Das kann ich nicht trennen. Gerade bei Baader und Ensslin nicht. Die waren die Kernzelle der RAF: Ensslin hat das Projekt, aber sie braucht jemanden, der es umsetzt. Das ist Baader. Wahrscheinlich werden mir Leute vorwerfen, dass die Liebesgeschichte die Politik überdeckt, dass sie bloß kulinarisch ist. Bullshit! Ohne diese Liebesgeschichte fehlt der Treibsatz für die Kraft und das Charisma dieser beiden. Es war nicht nur Baader, es war nicht nur Ensslin, es waren beide zusammen. Man kann die RAF nicht ohne diese Liebesgeschichte verstehen.

Verkörpert Bernward Vesper, die dritte zentrale Figur in „Wer wenn nicht wir“, nicht doch den NS-RAF-Zusammenhang? Der Vater, Will Vesper, ist NS-Dichter, der Sohn wird zum radikalen 68er.

Nein, es ist komplizierter. Laut Klischee müsste Vesper ja Terrorist werden – in der Logik: Seinen Vater, der ihm zu nahe ist, kann er nicht umbringen, aber dafür das System der Globkes und Kiesingers angreifen. Doch Vesper fängt an zu schreiben, während Ensslin und Baader die RAF gründen. Nun will ich die RAF nicht aus dem Mama-Papa- Kind-Dreieck herleiten. Aber ein Faktor ist, dass es einen familiären Auftrag gab. Die Kinder sollen tun, was die Väter nicht geschafft haben. Gudruns Vater sagte ihr mal: „Du kannst es besser machen.“ Das ist eine Delegation: Sie soll eine Schuld von ihm wieder gutmachen. Intellektuell begreift Ensslins Vater zwar, dass der Faschismus nicht vor der Tür steht, dass die Zeit ein andere ist. Aber trotzdem schwingt dieser Auftrag mit.

Der junge Bernward Vesper wechselte in kurzer Zeit von extrem rechten zu extrem linken Positionen. Zum Beispiel gab er die Bücher seines Vaters neu heraus, und er brachte Gudrun Ensslin dazu, diese Bücher positiv für die Deutsche Nationalzeitung zu besprechen.

Für mich war das auch deshalb wichtig, weil es in der „Reise“ [Vespers posthum erschienenem Roman; Anm. d. R.] gar nicht vorkommt. Darin ist der Vater ein Despot, ein repressives Arschloch, faschistoid bis auf die Knochen. Es gibt eine einzige Passage, wo er, noch dazu im Konjunktiv, sagt: Ich könnte mir vorstellen, dass mein Vater mich liebt. Wenn man nun aber den Briefwechsel liest, ist da eine ganz enge Bindung. Daran zeigt sich: Es war eben nicht ein klarer Kampf der 68er gegen die faschistoiden Eltern. Dieser Kampf war viel komplizierter, weil so viel Bindung da war, so viel Ambivalenz. Deshalb haben wir auch die Räume in dem Gutshaus, wo Vesper seine Kindheit verbrachte, nicht als klaustrophobischen Ort inszeniert. Die Kamera arbeitet viel mit Tiefen. Die Räume sollten so eingerichtet sein, dass man darin gern ein paar Tage verbringen würde.

Aber Vesper stand, bis zu seinem Freitod 1971, im Bannkreis seines Vaters.

Das ist seine Tragik, ja. Und das ist auch meine Frage: Gibt es ein Entkommen? Dass die Kriegsgeneration beschädigt ist, ist eine Tatsache. Die Frage ist: Was wird davon weitergegeben? Gibt es die Möglichkeit, sich der Beschädigung bewusst zu werden, sie sich anzuschauen und sie dadurch ein Stück weit hinter sich zu lassen? Bernward Vesper ist in seiner Tragik jemand, der das nicht schafft. Aber gleichwohl gibt es neben dem Scheitern auch eine ungeheure Kraft, so viel Potenzial, Talent, Energie, Wissen, Unbedingtheit. Man denkt Lebensgeschichten ja oft vom Ende her, sodass sie eine scheinbare Zwangsläufigkeit bekommen. Aber es hätte ja auch ganz andere Möglichkeiten gegeben.

Sie sind 1959 geboren; Ihr Vater war Wehrmachtsoffizier im Zweiten Weltkrieg. Hatten Sie in Ihrer Jugend das Bewusstsein: Hier sind wir, jung, rebellisch, moralisch, dort sind die Eltern, spießig und durch die NS-Verbrechen belastet?

Wir hatten viele Diskussionen. Das Totschlagargument meiner Eltern war: Du hast den Krieg nicht mitgemacht, du weißt nicht, was es heißt, in einer Diktatur zu leben. Die Tatsache, dass es über mich ein Dossier beim Verfassungsschutz gab, dass ich beim Trampen rausgewinkt wurde und in die Läufe mehrerer Maschinenpistolen blickte, nur weil ich lange Haare hatte – das hat meinem damaligen Leben eine gewisse Bedeutung gegeben. Ich konnte meinen Eltern sagen, dass sie keine Ahnung hätten, in welchem Staat wir leben. Ich konnte ihnen endlich eigene Erfahrung entgegensetzen.

War Vesper für Sie so etwas wie ein großer Bruder, viel radikaler in seiner Auflehnung und Selbstzerstörung, aber jemand mit einem ähnlichen Konflikt? Bernward Vesper könnte vom Alter her mein Vater sein, und dennoch gibt es in der Tat eher ein brüderliches Verhältnis. Auch ich musste mich an meinem Vater abarbeiten: Er war kein überzeugter Nazi, dennoch hat er mitgemacht. Für ihn waren die ersten Kriegsjahre als Wehrmachtsoffizier eine „Europareise auf Adolfs Kosten“. 1944 wurde er schwer verwundet, lebenslang wanderten Splitter durch sein Hirn, er war unberechenbar – in seinem Jähzorn und in seiner Zuwendung. Ich hatte das Glück, dass mein Vater im Alter weicher und zugänglicher wurde. Ich konnte im Guten von ihm Abschied nehmen. Dieses Glück hatte Bernward Vesper nicht.

Sind Sie Gudrun Ensslin einmal persönlich begegnet?

Ich habe 1976 die Schule geschwänzt und bin zum Prozess nach Stammheim gefahren. Ich habe Gudrun Ensslin dort ganze fünf Minuten erlebt. Sie hatte den Richter beleidigt, der schloss sie erwartungsgemäß von der Verhandlung aus, und sie wurde abgeführt. Das hat meinen damaligen Respekt noch verstärkt: Ich hatte den Eindruck, dass sie die offensichtliche Übermacht ihrer Gegner wirkungsvoll attackieren kann.

Hat Sie das beeinflusst?

Ich bin mit 14 in die Junge Union eingetreten, mit 15, 16 war ich bei der ersten Hausbesetzung in Stuttgart dabei und bei den Stammheimer Prozessen. Meine Versuche, den JU-Ortsverband in diese Richtung zu öffnen, musste ich aufgeben. Ich traf einen Funktionär, der Kontakte zum Innenausschuss des Landtages hatte. Er sagte, dass es ein Dossier beim Verfassungsschutz über mich gebe, wenn ich in diesem Staat noch mal etwas werden wollte, sollte ich mich etwas mehr zurückhalten. Das war der eigentliche Bruch: In diesem Staat wollte ich nichts mehr werden.

Sie wurden Dokumentarfilmer. „Wer wenn nicht wir“ ist Ihr erster Spielfilm. Wie viel darin ist erfunden, stilisiert? Oder fußen alle Szenen und Dialoge auf Dokumenten?

Das ist eine sehr komplexe Frage. Ein Beispiel: Bei der Recherche hat mir eine Frau erzählt, dass sie die hochschwangere Gudrun Ensslin 1967 im Krankenhaus besuchte. Ensslin habe sich verzweifelt auf den Bauch geschlagen und gerufen: „Ich will dieses Kind nicht, ich will Bernward nicht, ich werde woanders gebraucht!“

Danach traf ich einen Mann, der in diesem Augenblick ebenfalls zugegen war. Laut seiner Erinnerung war es ganz anders. Die Wehen hätten schon lange gedauert, das Kind sei überfällig gewesen, Gudrun, die sich auf das Kind gefreut habe, sei so erschöpft gewesen, dass sie mit den Händen auf den Bauch geschlagen habe, damit die Schmerzen aufhörten.

Was stimmt?

Ich weiß es nicht. Die Erinnerung der Frau ist vielleicht eine Projektion – sie geht von der späteren Gudrun Ensslin aus, von dieser Medeafigur, die ihr Kind aufgibt. In einen Dokumentarfilm könnte ich beide zeigen, den Mann und die Frau, sodass sich der Zuschauer ein Bild machen könnte.

Im Spielfilm müssen Sie sich entscheiden – und diese Szene kommt in „Wer wenn nicht wir“ nicht vor. Bei den Recherchen aber sind Sie so vorgegangen, wie ein Dokumentarist vorgehen würde?

Zumindest so ähnlich wie ein Dokumentaristen. Ich habe ein Konvolut von 300 eng beschriebenen Seiten erarbeitet, in denen ich Gespräche, Widersprüche, Bücher und Buchzitate gegeneinandergesetzt habe. Das ist die Grundlage des Films.

Es gibt eine heftige Sexszene mit Baader und Ensslin, an der Grenze zur Vergewaltigung. Worauf basiert sie?

Es gibt einen Brief von Ensslin an Baader, in dem eine brutale Vergewaltigungsfantasie vorkommt [veröffentlicht in „Notstandsgesetze von Deiner Hand“, Suhrkamp Verlag; Anm. d. R.]. Viele aus dem Umfeld der RAF haben dieses Paar stilisiert und geglaubt, die beiden seien sich immer einig gewesen. Aber es war eben nicht nur eine große, harmonische Liebe. Es gab Ambivalenz, Machtspiele, Unterwerfung. Ich habe diese Briefe gelesen und lange überlegt, wie ich das umsetzen kann, ohne spekulativ zu werden. Man kommt daran nicht vorbei, das heißt, ich brauchte diese Sexszene, um von Gewalt, von Demütigung und von dem Wunsch, gedemütigt zu werden, zu erzählen.

Manche Schlüsselszenen sind distanziert, unterspielt inszeniert. Etwa Ensslins Abschied von ihrem Kind. Sie bricht jede Brücke zur Vergangenheit ab, es ist ihre Geburt als Terroristin. Die Kamera betrachtet das aus der Ferne: Ensslin in einer Telefonzelle sagt einen knappen Satz, mehr nicht. Warum?

Ich hatte erst eine andere Szene geschrieben. Ein Treffen von Gudrun, Andreas, Bernward und dem Kind in Frankfurt in einer Tiefgarage. Gudrun und Andreas wollen weg, in den Untergrund, Bernward will Gudrun zwingen, sich wenigstens von dem Kind zu verabschieden. Sie zögert, springt im letzten Moment zu Baader ins Auto. Die Szene war dramatisch, aber ich hatte ein ungutes Gefühl.

Warum?

Weil ich in dieser dramatischen Übersteigerung eine Erklärung geliefert hätte – nach dem Motto: Wäre sie in diesem Moment zu Bernward und Felix gegangen, wäre die RAF nicht entstanden. Das ist aber horrender Blödsinn, in Wirklichkeit ist es ja viel komplexer. Deshalb musste ich es undramatischer lösen, unterspielter, wie Sie sagen.

Durch Ihre Zurückhaltung bleiben allerdings andere Aspekte vage, etwa der nur angedeutete psychische Verfall Vespers. Fehlt dem Film nicht der Wahnsinn?

Natürlich hätte ich das als Drogenpsychose ausstellen können, aber ich gehe ganz bewusst einen Schritt zurück, aus Respekt vor dieser Krankheit. Ich maße mir nicht an, dem Zuschauer zu sagen: Das ist der erste, das ist der zweite und das ist der dritte Grund für diese Psychose. Ich bin ja nur Gast bei jemandem, der in eine andere Welt hinübergeht, und zu dieser Welt habe ich keinen Zugang, deswegen wäre es absurd, diesen Zugang über die Filmerzählung herzuleiten. Es gab drei Bilder, drei Szenen, die für mich tabu waren: die Geburt, der Tod, also Vespers Selbsttötung, und die Psychose.

Bernward Vesper (1938–1971) war Sohn des völkischen Blut-und-Boden-Schriftstellers Will Vesper. Er studierte in Tübingen und lernte dort seine Lebensgefährtin Gudrun Ensslin kennen. 1967 kam ihr Sohn Felix zur Welt. 1971 wurde Vesper in die Psychiatrie eingewiesen, kurz darauf nahm er sich das Leben. Sein Romanfragment „Die Reise“, das Drogentrips und seine „Kindheitshölle“ schildert, gilt als Roman einer Generation.

Gudrun Ensslin (1940–1977) wurde in einer evangelischen Pfarrersfamilie groß. Sie studierte in Tübingen und gründete mit Vesper einen Kleinverlag. 1968 verließ sie ihn und lebte mit Andreas Baader zusammen, mit dem sie 1968 einen Brandanschlag auf ein leeres Kaufhaus in Frankfurt verübte. 1970 befreite sie Baader aus der Haft und gründete die RAF. 1972 wurde sie verhaftet, 1977 nahm sie sich in Stammheim das Leben.

Andreas Baader (1943–1977) wuchs in München auf und machte früh eine Karriere als Kleinkrimineller. In Berlin wurde er 1967 Teil der linksradikalen Bewegung. Seine Befreiung aus der Haft im Mai 1970 u. a. durch Ulrike Meinhof gilt als Geburtsstunde der RAF. Baader war an mehreren Bombenanschlägen beteiligt. 1972 wurde er festgenommen. 1977 starb er in der gleichen Nacht wie Ensslin in Stammheim.

Viele der Ereignisse in „Wer wenn nicht wir“ sind Teil des kollektiven Bildgedächtnisses, andere nicht. Wie haben Sie Bekanntes und Unbekanntes zueinander ins Verhältnis gesetzt?

Nehmen wir Andreas Baader. Er hatte einen Onkel, der Balletttänzer und schwul war, der hat ihn sehr früh in diese Lebenswelt hineingebracht. Mitte der 60er Jahre war Baader zum Beispiel oft im Kleist Casino [eine bekannte Berliner Schwulen-Bar; Anm. d. R).

Baader hatte neben der Macho-Attitüde auch etwas Androgynes.

Ja, diese Seite ist weniger bekannt – und stößt auf Widerstand. Bei Testvorführungen des Films habe ich oft gehört: „Der Baader war doch ganz anders!“ Wenn ich fragte: „Wie war er denn?“, wurde klar: Die Zuschauer haben den „Baader Meinhof Komplex“ gesehen, für sie ist Andreas Baader gleich Moritz Bleibtreu. Mir ging es darum, Baader anders zu zeigen – als Spieler, der Rollen ausprobiert. Wenn er einen Film mit Belmondo oder Bogart gesehen hatte, hat er die hinterher nachgeahmt und sich deren Klamotten angezogen. Er hat sich permanent neu erfunden und damit provoziert.

Die Spielfilmszenen werden immer wieder von Archivmaterial unterbrochen und strukturiert. Haben Sie jemals erwogen, ohne dokumentarische Bilder zu arbeiten?

Nein. Für mich war klar: Ich muss, was damals war, für heute begreifbar machen. Zum Beispiel den Vietnamkrieg.

Wirken Bilddokumente in Spielfilmen nicht immer wie Stützräder: Seht, alles ist echt?

Nein. Die Spielszenen und die Archivszenen sind zweierlei Erzählweisen, und beide sind inszeniert. Es ist ja nicht so, dass das Archivmaterial die Wahrheit erzählt und die Spielszenen lügen. Ab einem bestimmten Punkt rücken die dokumentarischen Bilder immer näher an die Protagonisten heran, bis diese Teil der dokumentarischen Bilder werden. Beim 2. Juni ist es schon ganz dicht an ihnen dran, beim Kaufhausbrand fällt es ineinander.

Wie haben Sie die Vietnambilder ausgewählt?

Wir haben bekannte Szenen, wie jenes des nackten Kindes, das vor dem Napalmangriff davonläuft, vermieden. Stattdessen habe ich eine Szene mit einem US-Bomberpiloten verwendet, die eine kanadische Filmemacherin 1965 gedreht hat, als es noch keine Zensur gab.

Die Kamera ist da bei dem Piloten im Cockpit; er erzählt, wie viel Spaß es ihm macht, Napalm abzuwerfen, Vietnamesen flüchten zu sehen …

Für den Piloten ist das wie ein Kriegsspiel, und Krieg spielen macht Spaß. Meine Überlegung war: Der Diskurs über die RAF hat sich in den letzten Jahren verengt. Man fragt nicht mehr: Warum gab es die RAF?, sondern: Was haben diese Menschen angerichtet? Ich hatte aber das Gefühl, dass man noch einmal zurück zu den Bilderfundus jener Jahre muss, dass man nachvollziehen muss, worin die Aufladung bestand. Weil man die moralische Empörung sonst heute gar nicht mehr versteht.

Cristina Nord (Jahrgang 1968) ist Filmredakteurin der taz; Stefan Reinecke (Jahrgang 1959) ist Redakteur im taz-Parlamentsbüro