Kinder bauen ihre eigene Stadt

INTERAKTIVE BAUAUSSTELLUNG In „Kinder machen Stadt“ im Labyrinth-Museum können 3- bis 11-Jährige ihre urbane Umwelt endlich mal selbst gestalten – unsere Reporterin begleitete eine fachkundige Begehung

Das Labyrinth Kindermuseum verfolgt seit seiner Gründung im Jahr 1997 die Philosophie „Lernen durch Selbermachen“. Die Ausstellung „Kinder machen Stadt“ wurde gemeinsam mit Kindern so konzipiert, dass sich Kinder im Alter von drei bis elf Jahren je nach Tagesform und Entwicklungsstand den vielen Facetten einer Stadt aktiv annähern können. In den Sommerferien ist das Museum wochentags von 9 bis 18 Uhr geöffnet, samstags ab 13 Uhr, an Sonn- und Feiertagen ab 11 Uhr. Die Workshops des Sommerferienprojekts „Urban Gardening“ laufen vom 14. Juli bis 22. August. Am 23. August wird „Ernte Dank Fest“ gefeiert. Kinder und Erwachsene zahlen je 5,50 Euro Eintritt, Familien 16 Euro. SP

■ Labyrinth-Kindermuseum: Osloer Straße 12, Tel. 8 00 93 11 50, alle Infos: www.labyrinth-kindermuseum.de

VON SYLVIA PRAHL

Fast wie bei einer Tour durch eine zu entdeckende reale Stadt müssen wir uns nach Betreten der Ausstellung „Platz da! Kinder machen Stadt“ erst mal orientieren. Denn die interaktive Bauausstellung, die derzeit im Labyrinth-Kindermuseum zu erleben ist, lässt viel Raum für die individuelle Erkundungstour.

Das Museum ist in der ehemaligen Zündholzmaschinenfabrik an der Osloer Straße zu Hause, und nach dem Verlassen des Kassenraums stehen wir auch schon in der großen, lichten Fabrikhalle. Erst einmal werden die Straßenschuhe abgelegt und im Regal verstaut. Sonst herrscht hier oft viel Kindergewusel, an diesem heißen Samstagmittag ist es aber noch recht übersichtlich, der Geräuschpegel entspannt. Die Halle wird von zwei Holzhäusern dominiert, deren Sinn und Zweck sich nicht auf den ersten Blick erschließt.

Nach kurzer Verwirrung stürmen die Kinder als Erstes das Haus „Piggsvin“, bei dessen Planung und Bau Architekten Ideen und Wünsche von Kindern bestmöglich umgesetzt haben. Es sollte ein Haus zum Toben, gemeinsamen Essen, aber auch mit Nischen zum Zurückziehen sein. Und einen so kleinen Eingang haben, dass der Lehrer nicht reinkommen kann.

Und tatsächlich, Leute über 1,30 m Körpergröße müssen das verwinkelte Haus im Kriechgang erobern. Die Kinder verkrümeln sich in die Erker, klopfen an die Fenster und winken, halten kurz inne, bevor sie überschüssige Energie beim Wolkenflitzen verpuffen lassen: Auf beräderten Wolken wird sich im Wettstreit an Seilen entlanggehangelt.

Und schon ertönt zum ersten Mal der Gong: Museumsmitarbeiterin Lisa lädt alle Besucher zur Vorlesestunde ins Wolkenzimmer im ersten Stock. Wir machen es uns auf Kissen bequem und schauen verblüfft nach oben: An der Decke klebt eine Stadt aus Styropor, bunt bemalt! So also sieht eine Wolke die Welt von oben. Passend dazu hören wir die Geschichte von „Der kleinen Wolke“ von Eric Carle.

Danach geht es auf die Galerie, in die Abteilung „Hofspieler“. Wir ordnen Wäschestücke den aus allen möglichen Ländern kommenden und verschiedenen sozialen Schichten angehörenden Hausbewohnern zu und machen, was man im Hinterhof so machen kann: Wände bemalen, auf Stelzen laufen, Blumen bestimmen.

Die kleine Gartenkunde ist schon eine Vorbereitung auf das Sommerferienprogramm des Museums. Beim „Urban Gardening“ können Kinder ihre grünen Daumen schulen und in wechselnden offenen Workshops den Innenhof des Hauses überwuchern lassen, Rasen verlegen, Blumen pflanzen und damit die hektische, laute Stadt in eine Wohlfühloase verwandeln. Jetzt legen wir erst einmal eine Pause ein. Auf der großen Sitztreppe am Kopf der Halle darf mitgebrachtes Essen vertilgt werden, an der Bar gibt’s Getränke und Snacks.

Da ertönt der Gong zum zweiten Mal. Museumsmitarbeiterin Rahel fordert die Kinder auf, sich eine Stadt zu bauen. Solche Aktionen finden unregelmäßig, je nach Personal- und allgemeiner Stimmungslage im Museum statt. Ratzfatz konstruieren die Kinder mit hochroten Köpfen Straßenzüge und Wolkenkratzer aus Pappkartons, die mit Bildern von Fenstern, Türen und Balkonen beklebt sind.

Hinterhöfe entstehen. Die heute anwesenden Nachwuchsstadtplaner orientieren sich eher an den Wänden, doch wie Rahel und Lisa berichten, bauen andere Gruppen auch Siedlungen auf freiem Feld oder kreieren verschachtelte Tunnelkonstrukte.

Die Kinder bilden sofort Baugruppen, die größeren helfen den kleinen. Straßen aus Teppichflicken werden verlegt, ein Kind wird zur Ampel, hat die chaotisch umherdüsenden Autos allerdings kaum im Griff. Andere fliegen als Vögel verkleidet durch die Straßenschluchten.

Die Kinder konstruieren aus Pappkartons Straßenzüge und Wolkenkratzer

Während die Jüngeren Stadtbilderbücher anschauen können oder beim Zuordnen verschiedener Gemüse zu den richtigen Pflanzen Spaß haben, können die Älteren an beleuchteten Architektentischen spielend Städte entwerfen oder aus Lego bauen, sich anhand der aushängenden kurzen und verständlichen Texte mit den einzelnen Stufen der Städteplanung vertraut machen oder sogar einen dicken Wälzer über Baustilkunde konsultieren.

Im Bereich „Baustelle betreten erlaubt“ stellen sich an der Hörstation Werkzeuge humorig selbst vor. Da die Wasserwaage aus Frankreich kommt, näselt sie ganz entzückend, und Max der Schraubenschlüssel erklärt in breitestem Norddeutsch, was er den lieben langen Tag so tut. Berufsbilder wie Landschaftsarchitekt, Dachdecker oder Rohrleitungsbauer werden vorgestellt. Den Beruf der Baggerführerin probieren meine mitgebrachten vier- und fünfjährigen Testpersonen, angetan mit Schutzhelm und Warnweste, gleich selbst aus.

Ein etwas älterer Junge befestigt Matratzen am Kran, die, nachdem er mit großem Ernst den Daumen gehoben hat, rüber bugsiert werden zu dem Mädchen, das die riesigen Dinger fachgerecht in Empfang nimmt.

An allen Stationen stehen den Kindern bei Bedarf Museumsmitarbeiter zur Seite. Feinmotoriker können Kabel verlegen, Pflaster verlegen, aus Bauklötzen ein Haus am Hang bauen oder versuchen, eine Mauer zu vervollständigen, ein bisschen wie bei Tetris. Ein erklärtes Ziel der Ausstellung ist laut Geschäftsführerin Ursula Pischel die aktive Teilnahme von Kindern am städtebaulichen Prozess.

Und es funktioniert: Am Abend fragen die Kinder: „Gehen wir morgen wieder ins Museum?“ – der Grundstein für ein weiterführendes Interesse an der Gestaltung der eigenen Umwelt ist gelegt!