Premiumprodukte mit Problemen

TEAMSPORTCHECK Deutschlands Fußball brummt. Doch wie steht es um andere Mannschaftssportarten?

Darauf sind sie stolz wie Oskar, nicht ohne Grund. Schließlich kann man nicht von vielen Sportarten in Deutschland sagen, sie verfügten über die beste Liga der Welt. Bei der Handball-Bundesliga indes darf man getrost zum Superlativ greifen, allein die Triumphe aus dem letzten Jahr stellen das unter Beweis: Die Champions League ging an den THW Kiel, den EHF-Pokal gewann der TBV Lemgo, den Europapokal der Pokalsieger wiederum riss sich der gute alte VfL Gummersbach unter den Nagel.

Es herrschen also wirklich Glanz und Gloria in der Handball-Bundesliga – und natürlich Geld, sogar eine Menge Geld. Indes: Der schöne Schein dringt kaum durch, noch nicht einmal in das untere Tabellendrittel leuchtet er. Auch dafür gibt es ein gutes Beispiel: Gerade erst hat der Tabellenletzte DHC Rheinland aus Dormagen Insolvenz angemeldet. Die weltbesten Handballer, um den weltbesten Handball in der weltbesten Liga spielen zu lassen, können sich eben nicht alle leisten. Entsprechend gespalten ist die Liga in oben und unten: Wer nicht international vertreten ist, kämpft ums pure Überleben, bisweilen vergeblich.

Auch die deutsche Nationalmannschaft profitiert nur bedingt von der Liga, zumindest von deren Spitze. Dort sind vor allem die zentralen Positionen im Rückraum in erster Linie mit Spielern aus dem Ausland besetzt, deutsche Talente haben es – wenn sie überhaupt die Chance bekommen – schwer, sich gegen diese Topleute durchzusetzen, und tun das, wie Hoffnungsträger Uwe Gensheimer, eher auf den Außenpositionen.

Das hat zum einen damit zu tun, dass sich ein Spitzenklub wie der THW Kiel weniger als Ausbildungsverein versteht denn als Trophäensammler – und dafür fertige, gestandene Spieler von Weltklasseformat benötigt. Zum anderen scheint der deutsche Nachwuchs, bei WM und EM der Junioren meist unter den Besten vertreten, weniger, nun ja, entbehrungsbereit.

Für Heiner Brand, den Noch-Bundestrainer, bedeutet dies, dass er speziell im Rückraum entweder auf Spieler zurückgreifen muss, die nicht bei den absoluten Topklubs unter Vertrag stehen – oder auf solche, die in den Topvereinen nicht die allererste Geige spielen. Lange Zeit haben Brand und die Nationalmannschaft dies kompensieren können. Bei der WM in Schweden nun ist das Dilemma mit Platz elf ganz offen zutage getreten. Weltspitze ist die deutsche Nationalmannschaft damit nicht mehr. FRANK KETTERER

Es ist die gleiche Platte, die Uwe Krupp (45), der Eishockey-Bundestrainer, immer wieder auflegen muss. Ihr Titel lautet: Im deutschen Eishockey wird nicht genug für den Nachwuchs getan. „Es kann nicht sein“, sagte Krupp unlängst, „dass etwa die beiden letzten DEL-Finalisten (Hannover und Augsburg) kaum Nachwuchsarbeit betreiben. Da muss die DEL tätig werden.“ Und weiter: „Alle Vereine der DEL müssten die Förderverpflichtung in die Tat umsetzen. Die Klubs, die da nicht mitziehen, müssen einen Ausgleich aufbringen.“

Krupp hat recht, gerade einmal die Hälfte der 14 Vereine der Deutschen Eishockey-Liga betreibt ernstzunehmende Nachwuchsförderung. Auch sein Vorgänger Hans Zach hatte diesen Missstand regelmäßig angeprangert. Die Liga führt jedoch keine Besserung herbei. Ihre Chefs sind stolz darauf, dass viele Klubs in modernen Hallen spielen. Gerne sprechen sie deshalb im Marketing-Jargon von einem im „Premiumprodukt“. Manchmal scheint es, als wollten sie nicht hinter die Fassade schauen, um sich ihrer Illusion nicht zu berauben.

In Wahrheit sieht es so aus: In den meisten DEL-Teams sind die Führungsspieler Ausländer, bevorzugt Nordamerikaner, nur wenige deutsche Profis sind Leader ihrer Mannschaften. Allerdings kommen die besten ausländischen Cracks kaum nach Deutschland. Die Schweiz hat eine bessere Liga und zahlt höhere Gehälter, auch Russland hat mehr zu bieten. Die DEL steht in der Gunst der Nordamerikaner neben der österreichischen Liga hintenan. Vor allem in Sachen Tempo und Technik ist ihr Niveau niedrig.

Es ist somit logisch, dass es die deutschen Profis im internationalen Vergleich schwer haben. Der vierte Platz, den die Auswahl 2010 bei der Heim-WM erreichte, war ein Ausrutscher nach oben. Bei der WM Ende April in der Slowakei werde die DEB-Auswahl wieder ums Überleben kämpfen müssen, meint Krupp: „Es besteht immer die Gefahr, in die Abstiegsrunde zu geraten.“

Es wird die letzte WM des ehemaligen NHL-Profis, der seit 2005 im Amt ist. Im Juni wird der gebürtige Kölner Teammanager der Kölner Haie. Einen Nachfolger gibt es noch nicht. Trotz aller Schwierigkeiten hat Krupp einiges bewegt. Unter seiner Regie verabschiedete sich das Nationalteam vom Defensivstil, den Zach propagiert hatte. Zudem werden die meisten Auswahlspiele im TV beim Spartensender Sport1 übertragen. Die DEL versteckt sich dagegen hartnäckig m Pay-TV. CHRISTIANE MITATSELIS

„Wir wollen 2020 die stärkste Liga Europas sein.“ Das ist der Plan von Jan Pommer, dem Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga BBL. „Es ist ein weiter Weg“, weiß er. Recht hat er. In der Euroleague, dem Wettbewerb der besten europäischen Klubmannschaften, spielen die deutschen Teilnehmer traditionell nur eine Nebenrolle. Meister Baskets Bamberg schied im laufenden Wettbewerb schon in der Vorrunde aus. Zwar hat Alba Berlin im Vorjahr das Finale des zweitklassigen Eurocups erreicht und die BG Göttingen die drittklassige Euro-Challenge gewonnen. Doch so richtig ernst werden die deutschen Klubs nicht genommen.

„Immerhin weiß man in Europa, dass man sich auf uns verlassen kann“, meint Pommer. Es würden keine leeren finanziellen Versprechungen gemacht wie andernorts. Pommer sieht die Liga als großen Krisengewinner. Die bislang so reichen griechischen Klubs könnten an der neuen Steuergerechtigkeit in Hellas zerbrechen. Und dann gibt es ja noch den FC Bayern. Der hat sein Herz für den Basketball entdeckt, hat kräftig investiert und will in die Bundesliga aufsteigen. Pommer ist sich sicher: „Auf der DNA von Bayern München ist Erfolg ein zentraler Bestandteil. Das wird der Liga einen Schub geben.“

Zur selben Zeit kämpft Euro-Challenge-Sieger Göttingen mit einem dicken Minus. Drohende Insolvenzen und tatsächliche Pleiten beschäftigen die Liga in jedem Jahr. Und jetzt will die dauerkriselnde Liga, der es in den vergangenen Jahren nicht gelungen ist, ein funktionierendes Lizenzierungsverfahren durchzusetzen, an die europäische Spitze?

Selbst wenn das gelänge, bleibt immer noch die Frage, wie deutsch ein solcher Erfolg wäre, wie sehr er dazu beitragen könnte, auch die Nationalmannschaft zu neuen Höhen zu führen. Dass Bamberg derzeit einen für deutsche Ligaverhältnisse so dominanten Systembasketball spielt, liegt vor allem an den US-Amerikanern Anton Gavel, Casey Jacobson und John Goldsberry. Nur ein Deutscher, der junge Center Tibor Pleiß, gehört zu den Säulen der Mannschaft. Er gehörte zu den Spielern, die sich bei der WM im vergangenen Sommer in der Vorrunde regelrecht blamiert haben. Und so schauen viele Fans immer noch Richtung USA, wenn sie sich über deutschen Basketball informieren wollen, und lesen nach, wie viele Punkte Dirk Nowitzki in irgendeinem unbedeutenden NBA-Spiel erzielt hat. Er ist schon lange, was die Bundesliga mal sein will: stark. ANDREAS RÜTTENAUER

Die Probleme von Heiner Brand hätte Stelian Moculescu in seiner Zeit als Bundestrainer gern gehabt: Während bei den Handballern die Liga brummt, kämpft Deutschlands erfolgreichster Volleyballtrainer seit Jahren darum, das Niveau in der höchsten Spielklasse des Landes anzuheben. Moculescu hat als sportlich Verantwortlicher von Branchenführer VfB Friedrichshafen gebetsmühlenartig wiederholt, der Bundesliga fehle es an Professionalität und kontinuierlichem Wettkampf auf höchstem Niveau.

Wenn 70 oder 80 Prozent der nationalen Pflichtspiele im Vorbeigehen gewonnen werden, sei es kaum möglich, Weltklassespieler zu entwickeln. Und deshalb hat der 60-Jährige in den Jahren, in denen er in Personalunion auch noch die Rolle des Bundestrainers bediente, seine talentiertesten Kräfte regelmäßig in die starken Ligen des Auslands geschickt. Günter Hamel, Sportdirektor beim Deutschen Volleyball-Verband (DVV), hat in den letzten Jahren eine „positive Entwicklung“ festgestellt, „doch die betrifft nur das Mittelfeld der Liga“. Es sei im Volleyball „weiterhin schwierig, internationale Topspieler zu akquirieren“.

Immerhin ist es gelungen, vielen Talenten den Sprung in die Liga zu ermöglichen. Seit Jahren gibt es das Projekt VC Olympia, ein im deutschen Mannschaftssport einmaliger Modellversuch, bei dem die Juniorennationalmannschaften außer Konkurrenz mitschmettern dürfen. „Im Prinzip ist das eine sehr gute Idee und hat sich auch bewährt“, findet Hamel. Allerdings mit dem Zusatz, dass dieser Versuch auf die wenigen Toptalente zugeschnitten sei. Die jungen Athleten, die dahinter stehen, so die Erfahrung, seien auf diesem Niveau oft überfordert. Von einer Ausländerbeschränkung, um deutschen Akteuren mehr Spielpraxis zu verschaffen, halten die Verbandsfunktionäre nichts. „Da sind wir dagegen“, betont Hamel und liefert die Begründung gleich mit: „Ein wirkliches Talent muss in der Lage sein, sich durchzusetzen.“ FELIX MEININGHAUS