schurians runde welten: Auf die Knie!
„Stoiber hat nun zunächst das Heft in der Hand.“
(Joachim Herrmann, CSU)
Als Fußballer hat Sebastian Deisler natürlich gelernt, wie man zurück tritt. Vor allem kommt es aufs richtige Timing an. Dann legt man sich einen Satz zurecht, alarmiert die Presseleute und sagt belegten Tonfalls so was wie: „Ich hab das Vertrauen in mein Knie verloren“. Deisler zeigte in dieser Woche, wie man nach einer Klausur die Notbremse zieht, bevor es andere für einen tun. Der Bayern-Mittelfeldler lässt sich nicht wie Edmund Stoiber vom Hof jagen.
Das Knie denken können, darüber hat der Männerforscher Klaus Theweleit bekanntlich ein ganzes Buch geschrieben. Das Knie aber sogar die Vertrauensfrage stellen können, ist ein eher unbekanntes Detail im Verfassungsvertrag zwischen Fleisch und Geist, der großen Koalition in uns allen. Knie geben dabei besonders miese Bündnispartner ab – noch mieser als die CSU.
Wahrscheinlich wissen die zwei Kapselgelenke um ihre tragende Rolle im Körperbau, deshalb lassen sie sich nicht gerne in die Karten gucken. Wer es doch versucht, geht hohes Risikos. Im Innern des Knies gibt es einen abhörsicheren Raum. Wer doch darin herumstochert, holt sich schnell was weg: Matthias Sammer ist deshalb zum Sesselsitzer beim Deutschen Fußballbund geworden, kann manchmal kaum die Treppen steigen.
Ganz schlimm ist dran, wer anfängt, über seine Knie nachzudenken, man beginnt zu staksen, und die eingebildeten Scharniere haben schon fast gewonnen. Denn der gesamte Organismus beginnt zu wackeln, mit Folgeschäden in Wirbelsäule, Verdauungstrakt, Fußgelenken – auch so hinterfotzige Giftzwerge. Irgendwann ist die Körperbeherrschung weg, man freut sich über jeden schmerzfreien Schritt, im Alter wird der menschliche Körper hilflos wie ein enteierter bayrischer Ministerpräsident.
Es gibt natürlich auch Körperteile, die weniger Ärger machen, die eigentlich immer mitziehen. Stimmbänder sind zuverlässige Partner, die Zunge, die meisten Finger und Zehen, auch Muskeln tun brav, was von ihnen verlangt wird.
20.1. Bochum – Graz
Sportler haben ein besonderes Verhältnis zu ihrem Körper, sie hören in ihn hinein. Oder sie haben Trainer, die sich in den Bewegungsablauf des Aktiven hinein versetzen können. In Bochum ist das nicht anders als sonstwo. In acht Tagen endet auch hier die Winterpause [pünktlich zum Kälteeinbruch; taz berichtete] – und Trainer Marcel Koller weiß, wie viel Respekt er Gelenken erweisen muss: „Ich habe geahnt, dass sich die Belastung bei Bechmann bemerkbar macht und sein Knie wieder Reaktionen zeigt.“ Noch ein Kniefall. CHRISTOPH SCHURIAN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen