Die Helden vom Klinikum Ost

Viele haben mitgespielt, wenige haben Widerstand geleistet gegen das Regime im Klinikum Bremen-Ost. Zwei sagten gestern im Untersuchungsausschuss aus: eine Abteilungsleiterin und ein Ex-Chefarzt

von Klaus Wolschner

Wie kann es sein, dass ein Geschäftsführer in einem großen Klinik-Betrieb schaltet und waltet, sechsstellige Summen in die eigene Tasche wirtschaftet – und niemand ruft laut: „Halt!“? Das ist die Frage, die im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Klinikskandal in diesen Tagen immer wieder gestellt wird.

Eine schlichte Antwort gab gestern der Chefarzt für Psychiatrie, Helmut Haselbeck. Es habe auf der Chefetage des Klinikums früher ein „sehr kommunikativer Stil“ geherrscht. Man sei offen miteinander umgegangen. Mit den „neuen“ Geschäftsführern aus der Privatwirtschaft, erst Wolfgang Tissen, dann Andreas Lindner, habe es einen „Klimawandel“ gegeben. Er habe lange gebraucht, sagt Haselbeck, um sich klarzumachen, dass der eigene kaufmännische Geschäftsführer mit Unwahrheiten arbeitet. „Darauf war ich nicht sozialisiert“, bekannte der Psychiatrie-Professor. Und vertraute sich in seiner Not dem Aufsichtsratsvorsitzenden, Staatsrat Arnold Knigge an. Aber der reagierte nicht, jedenfalls nicht so, wie Haselbeck das erwartet hatte.

Damit waren für den Chefarzt alle Mittel ausgereizt. Für andere nicht: Für Ute Bretthauer zum Beispiel, Leiterin der Wirtschaftsabteilung im Klinikum Bremen-Ost. Als Lindner ihr im März 2006 die Anweisung gab, Klinik-Einrichtungsgegenstände im Wert von rund 300.000 Euro innerhalb von sechs Tagen in das Reha-Zentrum Rastede schaffen zu lassen, da stellte sie sich quer. Sie fand eine lange Liste von Problemen und Fragen, die vorher geklärt werden mussten. Dass das Lindners Privatklinik war, wusste damals niemand. Aber es hat auch niemand darauf bestanden, Einblick in die vertragliche Grundlage der Kooperation mit Rastede zu verlangen, bevor Mitarbeiter aus Bremen-Ost dorthin arbeiten fahren. Auch Bretthauer kam das alles komisch vor – aber im Unterschied zu anderen sperrte sie sich einfach. Klinikchef Lindner schäumte, ließ sich von der Pflegedirektorin die Personalakte geben. „Die schmeiße ich raus“, soll er wütend gesagt haben. Ute Bretthauer blieb pflichtbewusst und eisern. Eine Woche später musste Lindner die Anweisung zurücknehmen. Die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses dankten ihr gestern ausdrücklich für ihren Mut.

Der frühere Psychiatrie-Chefarzt Peter Kruckenberg wollte sich nach seiner Pensionierung 2004 eigentlich mit anderen Themen befassen. Anfang 2005, als Holding-Chef Tissen streng vertraulich sein „Strategiepapier“ vorlegte, sah Kruckenberg die Notwendigkeit, sich wieder mit Krankenhauspolitik zu befassen. „Ein Katastrophenpapier“, sagte er gestern dem Ausschuss. Und listete diverse fachliche Gründe auf. Überall habe es heftige Kritik gegeben, sogar in der Gesundheitsbehörde. Aber niemand habe sich getraut, die Kritik laut zu formulieren. Kruckenberg baute ein Netzwerk von kompetenten Personen auf. Aber die Gesundheitsbehörde habe sich der inhaltlichen Auseinandersetzung nicht gestellt, so Kruckenberg. Das Krankenhausmanagement von Tissen nannte Kruckenberg „grotesk“. Der Mann sei „nicht in der Lage, einen Konzern zu führen“. Und führte diverse Beispiele an.