Renato Rui, Handball-Profi
: Der Seestädter vom Zuckerhut

Der morgige Freitag wird ein außergewöhnlicher Tag für Renato Rui. Bis 17.30 Uhr ist alles genau geplant: die Anreise zur Max-Schmeling-Halle in Berlin, das Warten in der Kabine, bis die Lasershow drinnen in der Halle vorbei ist. Dann wird Bundespräsident Horst Köhler sprechen, und die Deutschen werden zusammen mit der Kölner Karnevalsband „Höhner“ ihren Handball-WM-Song „Wenn nicht jetzt, wann dann“ singen.

Ab 17.30 Uhr wären dann zumindest theoretisch Überraschungen möglich: Zum Auftakt der Handball-Weltmeisterschaft spielt Deutschland gegen Brasilien. Im brasilianischen Team ist Rui einer der Leistungsträger. Als einziger Spieler seiner Mannschaft kennt er etliche der deutschen Spieler bereits: Rui spielt seit dreieinhalb Jahren in Deutschland. Derzeit ist er beim Wilhelmshavener HV, wo er seit Saisonbeginn ein „wichtiger Baustein“ des Teams geworden ist, sagt Trainer Michael Biegler.

Renato Rui fing in Deutschland klein an und stieg schnell auf: Nach seinem Debüt in der Regionalliga wechselte er in die 2. Bundesliga Nord, erst zur HSG Niestetal/Staufenberg, dann zum TSV Hannover-Burgdorf. Mitte vergangenen Jahres kam dann der Sprung in die 1. Liga nach Wilhelmshaven. Dort spielt der 27-jährige Rui in der Abwehr und wird vom Publikum geliebt. „Renato ist ein ruhiger Typ, sehr cool, konzentriert, diszipliniert – eigentlich ganz untypisch für einen Brasilianer“, sagt Brasiliens Handball-Star Bruno Souza, den sein Nationalcoach nach internen Streitigkeiten bei der WM nicht antreten lassen wird.

Rui hat bereits über 60 Mal für die Nationalmannschaft gespielt. Von einem Platz unter den ersten zehn bei der Weltmeisterschaft aber sind die Südamerikaner weit entfernt: Das bislang beste Ergebnis bei einem internationalen Turnier war ein 16. Platz bei der WM 1999 in Ägypten. „Handball wird in meinem Land eigentlich nur in der Schule und an der Uni gespielt“, sagt Rui. „Ist die Studienzeit vorbei, hören die meisten damit auf.“ Was dazu führt, dass professioneller Handball in Brasilien kaum stattfindet – und für jemanden wie Rui den Sprung in eine der europäischen Ligen umso attraktiver macht. kli