Berliner Platten
: Musiker im Weltraum: Lyche Lassi nehmen verschiedene Gesteinsproben und Punishable Act hinterlassen verbrannte Erde

Punishable Act: „From The …“ (Punishable Style/Cargo)

Hier geht’s gewöhnlich um Musik, aber heute fangen wir mal an mit dem Visuellen, mit der Verpackung. Mit „Out Now“ ist Lychee Lassi zumindest eines gelungen: So schön war Musik schon lange nicht mehr verhüllt. Das Cover ist ein Hologramm, das den Eindruck erweckt, die CD-Hülle rage nach hinten in die Unendlichkeit des Alls. Die vier Musikanten schweben durch dieses schwarze Loch in orangebraunen Raumanzügen. Kosmonauten, aber nicht auf der Suche nach unerforschten Welten, sondern nach dem richtigen Groove.

Dabei findet das Quartett aus dem Umfeld von Seeed Gesteinsproben aus Dub und Funk, Hiphop, Jazz und Soul. Die werden nicht am Computer zusammen gefügt, sondern am liebsten improvisierend verschmolzen. So hat man sich einen recht legendären Ruf als Live-Band erspielt und auch „Out Now“ entstand zwar im Studio, aber innerhalb von gerade mal drei Tagen im freien Zusammenspiel zwischen Schlagzeug und Bass, Gitarre und DJ-Pult. Vorgaben? Keine. Songs? Nicht nötig. Gäste? Ein paar für den eh nur seltenen Gesang: Angie Reed, Baatin, Grace.

Nun zischen die Space-Geräusche hin und her, brummelt der Bass, scharwenzelt die Gitarre im Gedenken an Chic und knistert es im Hintergrund bisweilen, als befänden wir uns dann doch nicht im Weltraum, sondern auf Vinyl. Es ist ein großes postmodernes Alles-ist-möglich, das aber fast immer im Rhythmus bleiben will. Nur hin und wieder gibt es die eine oder andere Länge zu beklagen, verlieren sich die vier im Groove, der sich dann nur noch besinnungslos um sich selber dreht. Das funktioniert auf der Bühne prima, aber aus der Konserve nicht immer. Die eine oder andere zusätzliche Gesangseinlage wäre hilfreich gewesen, hätte aber natürlich das Konzept ausgedünnt. Von vornherein grundsätzlich und im Ergebnis immerhin noch meistens aber muss man den Mut bewundern, wie Lychee Lassi es wagen, die gemeine Tanzbodenmusik mit solcher Experimentierfreudigkeit anzugehen.

Lychee Lassi: „Out Now“ (Blue Pearls Music/Indigo), live: 25. 1., 22 Uhr, ZMF

Auf weitgehend Bewährtes setzen dagegen Punishable Act. Ihr Hardcore ist noch aus einer Zeit, als der Begriff nicht auf dem Dancefloor verwendet wurde, sondern ausschließlich für die Fortentwicklung von Punkrock stand. Brutaler, schneller, härter hieß es damals ganz olympisch, momentan im Kino gerafft nachzuvollziehen in der Dokumentation „American Hardcore“. Unsere fünf Berliner lassen auf „From The Heart To The Crowd“ ganz klassisch und etwas nostalgisch die Muskeln spielen. Kein Wunder, wird hier neben einigen frischen Stücken doch vor allem ein Überblick über die ersten 13 Jahre Bandgeschichte vorgelegt: Erprobte Songs sind neu eingespielt und einige Gastvokalisten engagiert worden. Die Unterschiede zwischen Alt und Neu sind allerdings marginal. Den zu einem gewissen Konservatismus neigenden Hardcore-Fan wird das freuen, ist das Kindermördergegröhle und Gitarrengekloppe doch auf internationalem Niveau. So haben auch Punishable Act ihre Verbindung zum Weltraum: Mit der Wucht einer Interkontinentalrakete hinterlassen sie nur verbrannte Erde. Thomas Winkler