Hilfe vom schlafenden Riesen

FÖDERALISMUS Warum, was Franz-Josef Strauß 1968 wollte, heute gut für Bremen wäre: eine Verteilung des Ertragssteueraufkommens nach Einwohnern

■ „Föderal und gerecht“ heißt die aktuelle Publikation der Bremer Böll-Stiftung, die neben Reformvorschlägen für die BRD auch die föderalen Systeme der Schweiz, Kanadas und Schwedens vergleichend darstellt.

■ Kommenden Donnerstag debattieren Wissenschaftler und diverse Finanzminister über den Föderalismus mit besonderem Augenmerk auf der Altschuldenregelung (17 Uhr, Bürgerstraße 1). Wie essentiell das Thema für Bremen ist, zeigt sich schon daran, dass Arbeitnehmer- und Handelskammer gemeinsam einladen.  (HB)

Bremens Schuldenlast ist sechseinhalb Mal so groß wie die Summe seiner jährlich zur Verfügung stehenden Steuermittel. Doch dem Land müsste, sagt der Bremer Ökonom André Heinemann, durch den Bund und im Rahmen der föderalen Finanzbeziehungen ein deutlich höherer Steueranteil zugestanden werden. Gemeinsam mit anderen Experten hat er daher für die Böll-Stiftung tief greifende Vorschläge zu einer Föderalismus-Reform formuliert.

Die gegenwärtigen Regelungen zum Länderfinanzausgleich laufen ohnehin 2019 aus – und ein Jahr später greift die Schuldenbremse, was das Problem der Altschulden immer drängender macht. Der Magdeburger Politologe Wolfgang Renzsch schlägt nun ein Modell vor, das den stets umstrittenen Länderfinanzausgleich überflüssig machen könnte: Ertragssteuern wie die Einkommen- und die Körperschaftssteuer sollen nicht mehr nach örtlichem Aufkommen, sondern nach Bedarf – sprich: Einwohnerzahl – verteilt werden.

Mit Franz-Josef Strauß hat Renzsch dafür einen unerwarteten Kronzeugen: Der forcierte 1968 als Bundesfinanzminister einen entsprechenden Bundestagsbeschluss, der jedoch keine verfassungsändernde Mehrheit im Bundesrat fand. Strauß’ Homebase Bayern war damals selbst Nehmerland, was es im Übrigen bis 1986 blieb.

Aktuell klagt Bayern gegen den Länderfinanzausgleich – obwohl gilt: „Bremen subventioniert über seine Häfen die süddeutsche Exportindustrie“, wie Renzsch in Anspielung etwa auf die BMW-Werke anmerkt. Er hat errechnet, in welchem Missverhältnis regionale Wirtschaftskraft und Ertragssteueraufkommen derzeit stehen: Bei einer Wirtschaftskraft von 129,8 Prozent des Bundesschnitts hatte Bremen 2012 je Einwohner eine Ertragssteuerkraft von nur 92,1 Prozent. Bayern und Baden-Württemberg hingegen würden derzeit privilegiert.

Um die Handlungsfähigkeit der Länder insgesamt zu erhöhen, schlägt Heinemann vor, neben der Grunderwerbsteuer auch die Höhe der Grundsteuer selbst zur Ländersache zu machen – eine Steuer, die der Marburger Ökonom Horst Zimmermann ihrer Potenziale wegen als „schlafenden Riesen“ bezeichnet. Sie ist gerecht, weil sie per Umlegung auf die Mieten jeden trifft – und bietet Entscheidungsspielraum für die Erfüllung örtlicher Bedürfnisse. In Bremen, hat Heinemann überschlägig berechnet, würde etwa die Bäderfinanzierung für jeden Haushalt mit drei Euro pro Jahr zu Buche schlagen.  HENNING BLEYL