Freund Abschaum macht doch eine Menge Dreck

SEIN UND SCHEIN Überlegungen zu den vermeintlichen und den wirklichen Verursachern vom Kacke, Kotze & Co

Bei Karstadt hat sie sich was Schönes gekauft, High Heels, Stiefelchen und so

Direkt vor meine Haustür hat ein Hund geschissen. Der Gestank steigt mir in die Nase. Schnell öffne ich die Tür, nur um im Hausflur beinahe in einen riesigen Sumpf aus Kotze zu treten. Sofort wird mir selber übel. „Vom Regen in die Traufe“, wäre hier noch ein Euphemismus, der sich gewaschen hat. Apropos „gewaschen“. Im Moment ersehne ich mir eine riesengroße Waschanlage für diesen Ort, der mal mein Zuhause war und leider immer noch ist. Oder, um ein Filmzitat aus „Taxi Driver“ zu bemühen: „Ich hoffe, eines Tages wird ein großer Regen diesen ganzen Abschaum von der Straße spülen.“

Der Dreck würde mir ja genügen, der „Abschaum“ darf von mir aus bleiben. Ist ja auch ein bisschen malerisch, so rein vom Setting her. Herbschöne Gesichtslandschaften, in die Armut, Trunksucht und Hundebesitz wunderbar ehrliche Linien gegraben haben. Wenn Freund Abschaum nur nicht immer so viel Dreck machen würde. In der Beziehung scheint er echt noch so ein kleines bisschen Lernbedarf zu haben. Ich würde ja einen Deal vorschlagen, mit dem am Ende alle ganz gut leben könnten: Also Dreck gerne, doch eher von der Sorte Kippen, Plastikmüll und leergeräuberte Handtaschen. Dafür aber ein sehr wohldosierter Umgang mit Dreck der Kategorie „Kot & Kotze“.

Ansonsten wäre man fast geneigt, sich auch hier einen Bevölkerungsaustausch zu wünschen, wie er weiter hinten in meiner Straße längst erfolgt ist. Doch halt! Das ist viel zu kurz und außerdem in Schubladen gedacht. Schließlich wissen wir doch gar nicht, was denn wirklich so genau passiert ist.

Gut situierte Neubürger

Nur allzu oft wird nämlich dem Abschaum, ohnehin ein hässlicher Kampfbegriff der Herrschenden, buchstäblich jeder Dreck in die Schuhe geschoben. Dabei war hier vielleicht ja gerade einer jener gut situierten Neubewohner aus den besseren Blocks am Werk. Zum Beispiel eine junge Mutter auf dem Nachhauseweg von Karstadt. Da hat sie sich was Schönes gekauft, High Heels, Stiefelchen und so. Während Ronaldo, der kleine Jack Russell Terrier, munter an ihr hochspringt, schiebt sie ihren Kinderwagen an den schwächeren Adressen vorbei: Brrr, schnell durch, wie das hier aussieht! Die Fassaden nicht gemacht – dass „Menschen“ überhaupt so leben können!

Als Ronaldo, seinen gesunden Instinkten folgend, direkt vor eines dieser Häuser kackt, nimmt sie rasch ein Tütchen aus dem Netz des Kinderwagens, um den Unrat zu beseitigen. Das haben auch die Bewohner dieser Elendshäuser hier verdient: So denkt sie sehr korrekt, denn immerhin hat sie ja Sozialdingsbums studiert. Als sie sich bückt, wird ihr auf einmal schlecht. Der beißende Geruch, die frische Schwangerschaft und das nicht ganz so frische Sushi – so etwas kann schon mal passieren.

Quel malheur! Doch zum Glück steht die Eingangstür des besagten Hauses einen Spaltbreit offen. Rasch drückt sie sich hinein, derweil der Terrier draußen brav das Kind bewacht, und erleichtert sich gründlich. Ah, das tut gut! Und den Leuten, die – sie nennen es: wohnen – in dem Siffloch vegetieren, fällt der saure Segen ganz bestimmt nicht auf. Dennoch entfernt sie sich zügig und ohne weiteres Aufsehen zu erregen. Draußen lacht die Sonne, auch wenn sonst nicht alles so ist, wie es scheint. Vergnügt springt Ronaldo an seinem patenten Frauchen hoch.

ULI HANNEMANN