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: Messi als Underdog

HALBFINALE Um nicht überrollt zu werden wie Brasilien, kickte Argentinien auf Nummer sicher. Dabei ist der Kader offensiv angelegt

Vielleicht war es ja der Wahnsinn des Vorabends, der im zweiten Halbfinale zwischen Argentinien und den Niederlanden zur Lähmung des Spiels beider Mannschaften und zu torlosen 120 Minuten beigetragen hat. Man wollte sich partout nicht so blamieren wie tags zuvor Brasilien gegen Deutschland. Nach 30 Minuten rannte Argentiniens Altverteidiger Martin Demichelis mit dem Ball am Fuß in Richtung eigene Torauslinie. Weg von vorne, hin zum eigenen Keeper, bloß nichts riskieren. Eine Szene mit Symbolcharakter: Angst essen Fußball auf.

Nun spielen die Deutschen im Finale gegen diese unangenehme Mannschaft, die ihren fiesen Wachschutzfußball sicher auch im Finale vorführen wird. Eine Mannschaft, die sich darauf verlässt, dass denen da vorne, wo immerhin ein gewisser Lionel Messi neben dem nicht unbedingt übel beleumdeten Gonzalo Higuaín spielt, schon irgendwann irgendetwas einfallen wird. Während Trainer Alejandro Sabella die Mannschaft defensiv derart gut eingestellt hat, dass sie beinahe perfekt organisiert wirkt, wird kaum einer sagen können, wie die Mannschaft eigentlich nach vorne spielt. Die Organisiertheit der Argentinier in der Defensive ist gepaart mit einer taktischen Ideenlosigkeit, bei der ein gelernter Abräumer wie Javier Mascherano schon mal zum Spielmacher mutiert.

Die Mannschaft um Lionel Messi, den besten Fußballer des vergangenen Jahrfünfts, spielt Underdogfußball. Und sie hätte gewiss nicht anders gespielt, wenn ihnen der eigentlich so agile Ángel Di María zur Verfügung gestanden hätte. Wie ein uneingelöstes Versprechen wirken die WM-Auftritte der Argentinier bislang. Und so ist es nur logisch, dass sich Argentinien ganz wohlfühlt in der Rolle des Außenseiters für das Finale gegen die Deutschen am Sonntag.

Letztlich wird das Finale darüber entscheiden, wie das Fußballgedächtnis dieses Turnier einst einordnen wird. Am besten für den Fußball wäre es gewiss, wenn Argentinien das Versprechen, das in ihrem eigentlich so offensiven Kader angelegt ist, doch noch einlösen würde. Und wenn sich die Deutschen dann auch im Endspiel gegen Argentinien noch trauten, ihren schönen Fußball vorzutragen – dann wäre es fast schon egal, wer das Endspiel gewinnt.

ANDREAS RÜTTENAUER