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: Unsouverän im Ausnahmezustand

Selbstverständlich war der Orkan „Kyrill“ eine Ausnahmesituation. Windstärke zwölf und die Vollsperrung der Strecken sind schließlich auch bei der Deutschen Bahn nicht die Regel. Von daher wirkt es nur verständlich, wenn sich die Bahnfunktionäre gegen die Kritik von Fahrgästen und Verbänden verwehren. Aber Selbstzufriedenheit verbietet sich.

KOMMENTAR VON CHRISTIAN WERTHSCHULTE

Unverständlich ist auch das Lob, dass den Herren der Schiene von Seiten des NRW-Verkehrsministeriums erteilt wird. Nicht mehr verkäuflichen Kaffee auszuschenken und Bahnreisende in Sesseln übernachten zu lassen, für deren Nutzung sie gezahlt haben, ist keine zusätzliche Serviceleistung, sondern eine Verlegenheitslösung. Sowohl die Bahn als auch die Verkehrsverbünde geben zu, keine Ausweichpläne für den Nahverkehrskollaps zu besitzen. Dass diese vom Verkehrsministerium auch jetzt nicht eingefordert werden, macht ein wenig stutzig.

Den Sparkurs von Bahnchef Mehrdorn für den Totalausfall vom Donnerstag mitverantwortlich zu machen, wie es der Fahrgastverband Pro Bahn nun tut, mag überzogen wirken, trifft jedoch einen wunden Punkt: Auch ohne abgerissene Oberleitungen und umgeknickte Bäume ist Bahn fahren eine Aneinanderreihung von Ärgernissen und Verspätungen. Manche Fahrgäste führen daher schon Buch über die Lebenszeit, die sie im Zugsessel vergeuden mussten. Da ist es umso wichtiger, dass unabhängige Verbände auch weiterhin der Bahn kalten Wind ins Gesicht blasen.

Auch die Politik sollte dies begrüßen und in ihrem Sinne auf die Verkehrsbetriebe einwirken. Schließlich wird Verkehrsminister Oliver Wittke wohl in Zukunft kaum pünktlich mit dem Auto bei der geliebten Familie sein, wenn ihm frustrierte Bahnkunden den Platz auf Nordrhein-Westfalens Straßen streitig machen.