Teufel in Weiß

Medizinischer Pfusch und Intrigen in der Pharmaindustrie: Der Hamburger Autor Christoph Ernst hat einen lesenswerten Krimi über einen Medizinskandal zwischen Schanzenviertel und Wendland geschrieben

Regionalkrimis haftet zumeist etwas amateurhaftes an. Die große Weltliteratur spielt nun einmal nicht in Stuttgart-Degerloch. Die Geschichten leben oft mehr vom Ort ihrer Handlung als von dieser selbst, und statt große Formulierungskunst zu erwarten ist es zumeist schon befriedigend, sich nicht auch noch durch plattdeutsche Litaneien eines alteingesessenen schleswig-holsteinischen Bauern quälen zu müssen.

Überraschend kommt daher „Fette Herzen“ von Christoph Ernst daher: Er erzählt von medizinischem Pfusch und Intrigen in der Pharmaindustrie, lässt den Leser zwischen dem Hamburger Schanzenviertel und dem wendländischen Hitzacker hin- und herpendeln und bietet dabei so viel Wortgewandtheit, dass die Geschichte auch von der Erzählkunst lebt.

Der Held seiner Geschichte ist kein cooler Cop, sondern ein gelangweilter Taxifahrer, der sein Geld mal als Detektiv verdienen will. Privat wird er gerade Vater, was ihm nur mäßig gut gelingt. Auch beruflich bislang nicht gerade erfolgsverwöhnt, bekommt er schweißnasse Hände, als er tatsächlich einen gut bezahlten Auftrag bekommt. Er soll den Unfalltod eines Chirurgen im Auftrag von dessen Witwe aufklären, die selbst in Verdacht geraten ist, dem Unglück mittels Schraubenmanipulation am Wagen des Gatten etwas nachgeholfen zu haben. Seine Spur führt den Ermittler ins Herzzentrum Hitzacker, wo offenbar das Leben der Patienten der Geldgier des korrupten Klinikchefs geopfert wird.

Gegen Mitte des Buches gerät die Gewissheit zwar ins Wanken, dass der Skandal tatsächlich in unsterilen Herzkathetern liegt. Zu diesem Zeitpunkt aber hat der Leser schon einiges über Katheterkardiologie erfahren, hat Bekanntschaft mit einem trunksüchtigen Pharmareferenten gemacht, mit dem der Ermittler im Klinikarchiv heimlich Patientenakten kopiert und einem Kredithai auf dem Kiez die „Fresse poliert“, wie Ernst es wohl ausdrücken würde.

Lokalkolorit schafft der Autor nicht nur dadurch, dass er Straßen und Kneipen des Hamburger Schanzenviertels benennt, sondern auch über eine authentische Beschreibung des Milieus, in dem sein Ermittler lebt. Detektiv Jacob Fabian diskutiert seinen Fall abends ausführlich mit Freunden am Küchentisch seines rollstuhlfahrenden Nachbarn aus dem Erdgeschoss. Der zieht bei Bedarf Hintergrundinformationen über die Sterilisation von Herzkathetern aus dem Internet. Wenn sich Fabian mit seiner Freundin nicht gerade zofft, ruft sie bereitwillig mit verstellter Stimme in der Höhle des Löwen an und liefert den entscheidenden Tipp. Alle müssen mit ran, und so lesen sich die Erlebnisse des Detektivs bisweilen mehr als Abenteuergeschichte eines kleinen Jungen denn als der knallharte Thriller, der er von der Handlung her ist.

Ein Problem ist, dass Ernst um seine Erzählkunst weiß. An mancher Stelle wird er zu sprachverliebt und schießt in seinem Bestreben, Figuren und Setting glaubhaft zu beschreiben, übers Ziel hinaus. Vor allem zu Beginn verliert er sich bisweilen in kleinen Anspielungen auf große Hintergründe und lässt die Leser damit im Regen stehen. Doch je weiter er in die Geschichte einsteigt, desto mehr bleibt er bei der Sache, und die ist gut.Elke Spanner

„Fette Herzen“ von Christoph Ernst ist ein Elbdeich-Krimi aus dem Emons-Verlag, 9 Euro