das wichtigste
: „Freiwillige Ausreise“

Unwort des Jahres 2006 gekürt. Linksfraktion und Pro Asyl begrüßen die Wahl des zynischen Begriffs

KÖTHEN dpa ■ „Freiwillige Ausreise“ ist das „Unwort des Jahres 2006“. Die „Unwort“-Jury entschied sich gestern damit zum wiederholten Mal für einen Begriff, der sich auf den Umgang mit Ausländern bezieht. „Freiwillige Ausreise“ bedeute, dass abgelehnte Asylbewerber „freiwillig“ in ihre Heimat zurückkehren, um der Abschiebung mit Zwangsmitteln zu entgehen, sagte der Jurysprecher, Professor Horst Dieter Schlosser, im Ratssaal von Köthen (Sachsen-Anhalt). „Die Freiwilligkeit einer solchen Ausreise darf in vielen Fällen bezweifelt werden.“ Die „freiwillige Ausreise“ setzte sich gegen 1.129 andere eingereichte Unwort-Vorschläge durch.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und die Linksfraktion begrüßten die Entscheidung. „Für alle Flüchtlinge, die nicht in ein Herkunftsland zurück wollen oder können, ist der Begriff der ‚freiwilligen Ausreise‘ zynisch, sagte Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen. Die Bezeichnung verschleiere eine menschenverachtende Praxis. Die Organisation Pro Asyl wertete die Entscheidung als Kritik nicht nur am Begriff, sondern an der Praxis deutscher Ausländer- und Flüchtlingspolitik.

In diesem Jahr war das am häufigsten eingesandte Wort „Unterschicht“; gefolgt von „(abgehängtem) Prekariat“, „Gesundheitsreform“ und „Problembär“. „Unworte sind Worte, die es eigentlich nicht geben sollte, weil sie andere verletzen oder beleidigen, im schiefen Verhältnis zur Realität stehen oder gar die Menschenwürde angreifen“, erklärte Schlosser, der an der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt am Main Germanistik lehrt. Seit 1991 reichen Bürger aus dem In- und Ausland jährlich hunderte Vorschläge ein.