„Fatal und falsch“

VORTRAG Peter Sloterdijks „Philosophie der Ungleichheit“ wird kritisch diskutiert

■ ist Kultursoziologe und Herausgeber von „Angriff der Leistungsträger? Das Buch zur Sloterdijk-Debatte“ (Hamburg, 2010).

taz: Herr Wagner, was stört Sie an dem Fernsehphilosophen?

Thomas Wagner: Peter Sloterdijk ist der Auffassung, dass Herrschaft seit jeher bestünde und dies auch in Zukunft so sein müsse. Ungleichheit gehört für ihn zum Wesen des Menschen. Das ist fatal und falsch. Er verpackt es aber besser als Thilo Sarrazin.

Was haben die gemeinsam?

Sloterdijk spricht eher das Bildungsbürgertum an. Beide sind Sozialdemokraten und auch Sarrazin vertritt eine Universalität von Herrschaft. In der SPD wurde seit der rot-grünen Regierung diese Grundannahme stärker vertreten. Das Ziel ist nicht mehr, die Ursachen von Ungleichheit zu beseitigen, sondern einen möglichst großen Gewinn umzuverteilen.

Hat sich Sloterdijks Philosophie mit der Zeit verändert?

Früher war er näher an der Kritischen Theorie, die er heute verteufelt. Heute folgt er der rechten Geistestradition, wie Nietzsche, Heidegger und Gehlen, und tritt gegen Zwangsbesteuerung ein und für freiwillige Steuerabgaben...

... freiwillig – klingt doch nett!

Eine schlimme Sache! Es hieße, benachteiligte Menschen oder infrastrukturelle Maßnahmen hingen von den persönlichen Meinungen einiger freiwilliger Zahler ab.

Heißt weniger Staat denn nicht weniger Herrschaft?

Es verstärkt die ökonomische Herrschaft der Reichen über die abhängig Beschäftigten. Tatsächlich übernimmt Sloterdijk anarchistischen Versatzstücke. In der Tradition des libertären Sozialismus ging es aber nicht nur gegen den Staat, sondern auch gegen die Herrschaft der Unternehmen. Das hat Peter Sloterdijk nicht. Interview: JPB

20 Uhr, Villa Ichon, Raum 2