Schönheit des Drills

FOTOGRAFIE Die Galerie „swedish photography“ zeigt Werke von Pernilla Zetterman. Ihre streng komponierten Hochglanzbilder thematisieren die eigene Karriere als Sportlerin

Dass schwedische Kunst solchen Anklang findet, wundert sogar die Galeristin

VON NINA APIN

Zwei Frauenhände, in merkwürdig rigider Haltung nach innen gedreht, die Daumen obenauf. Als würden sie Skistöcke halten oder Zügel. Auf zwei großformatigen Fotos, vor himmelblauem Hintergrund, ragen diese Hände in den Galerieraum von „swedish photography“ in der Oranienburger Straße. Ein anderes Foto zeigt einen Frauenkörper in kerzengerader Haltung, in einem Panzer aus eng anliegendem schwarzen Goretex. Die Bilder „2:25.29“ und „Conduct N°1“ sind Momentaufnahmen aus der Welt des Leistungssports. In der Raummitte laufen in einem Tryptichon die verschneiten Linien einer Tartanbahn in unerbittlicher Geometrie aufeinander zu.

Hände und Körper gehören der 39-jährigen Fotografin Pernilla Zetterman. Für die Ausstellung „Ground Rules – Day after Day“ hat sie sich tief in die eigene Biografie eingegraben. Zetterman versetzte sich in ihre Zeit als 800-Meter-Läuferin zurück. Selbstporträts auf den Originalschauplätzen ihrer Jugend genügten ihr dabei nicht – sie begann wieder zu trainieren, unterwarf sich dem Tagesablauf, der sie im Alter zwischen neun und 14 Jahren als Leistungssportlerin drillte, bis sie eine Beinverletzung zum Aufhören zwang. Auf den Spuren familiärer Enge bezog Zetterman für die Serie auch das Haus ihrer Großmutter. Eine dazu bei Hatje Cantz erschienene Monografie zeigt akkurat gebündelte Zeitungsstapel, abgenutztes Parkett und eine zum Trocknen aufgehängte Plastiktüte. „Ich passe meine Arbeitsweise immer dem jeweiligen Gegenstand an“, sagt Zetterman. Die Rigidität, die sie in ihren Arbeiten ausstellt, hat sie auch als Fotografin verinnerlicht.

„Pernilla ist unglaublich durchstrukturiert und präzise in ihren Aussagen“, sagt ihre Galeristin Nina Grundemark. „Nichts überlässt sie dem Zufall.“ Besonders imponiere ihr, wie Zetterman die Rezeption der Zuschauer steuere: Die glatten Oberflächen der Bilder seien ästhetisch perfekt, aber mit einer nicht zu ignorierenden Message.

Schlicht, aufgeräumt, geometrisch perfekt: Pernilla Zettermans Fotos repräsentieren zumindest oberflächlich eine Vorstellung von skandinavischem Design, die sich in Deutschland größter Beliebtheit erfreut. Die Künstlerin, die in Stockholm und Helsinki studierte und sich der jungen, stark konzeptuell geprägten „Helsinki School“ zurechnet, erfüllt dies bis zu einem gewissen Grad. In Berlin wird Zetterman auch von der „Helsinki School“-Galerie TAIK vertreten. Für die „swedish photography“-Betreiberin Nina Grundemark ist dies kein Widerspruch, sondern Ausdruck einer engen Zusammenarbeit mit den finnischen Kollegen. Zeitgleich mit „Ground Rules“ bei „swedish photography“ zeigt TAIK Zettermans Reitsport-Zyklus „Turn down Center line“. Die Künstlerin sei sowohl finnisch als auch schwedisch und überhaupt vielfältig genug, damit es für beide Galerien reiche, sagt Grundemark lachend.

„Ground Rules“ ist die vierte Ausstellung der noch jungen Galerie für schwedische Fotokunst. Nina Grundemark, die in ihrer Stockholmer Galerie rund 20 Fotografen vertritt, trieb die Enge des skandinavischen Marktes dazu, eine Dependance in Berlin zu eröffnen. „Unsere Künstler brauchen internationale Aufmerksamkeit – die bekommen sie hier.“ Über die große Resonanz bei Presse und Publikum wundert sich die Galeristin manchmal selbst. Zwar habe Schweden eine lange Fotografietradition, aber dass Zeitgenössisches aus dem kleinen Land hierzulande auch jenseits großer Namen wie Christer Strömholm und Anders Petersen solchen Anklang finden würde, damit habe sie nicht gerechnet.

Eine Erklärung hat Galerieleiterin Dorothée Nilsson: „Die Deutschen sind verrückt nach Schweden, ob Krimis, Design oder Pädagogik. Vielleicht weil dieses Land so ist, wie Deutschland gerne geworden wäre.“ Schweden als bullerbühafte Postkartenkulisse – an derlei Projektionen mag sich „swedish photography“ gar nicht abarbeiten.

Gegen den Schnappschuss

Schon die Eröffnungsausstellung mit Joakim Eneroths Fotoserie „Swedish Red“ erteilte allen Holzhäuschen-Fantasien eine Absage. Auch Pernilla Zettermans spröde Ästhetik eignet sich nicht für Fernweh. Trotzdem sind die hochglänzenden Oberflächen schicker, als es derzeit in Schwedens Fotoszene üblich ist. „Der Trend geht zum Schnappschuss“, sagt Galerieinhaberin Grundemark. „Ich mag es gerne aufgeräumt – Kontrolle ist auch mein Thema“, sagt die Galeristin und zeigt auf die Linien des Parkettbodens, die exakt auf die Linien der Tartanbahn an der Wand zulaufen.

■ „Ground Rules – Day after Day“, noch bis 26. März bei „swedish photography“, Oranienburger Str. 27