„Sturz in die Bedeutungslosigkeit“

PRO Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch ist schon qua Amt ein Verfechter der Elbvertiefung. Ohne sie befürchtet er ökonomische Verluste, denn die Schiffe würden immer größer

66, parteiloser Wirtschaftssenator in Hamburg. Zuvor Präses der Hamburger Handelskammer, Geschäftsführer bei Blohm + Voss und der Phoenix AG. Er ist studierter Schiffsbau-Ingenieur.  Foto: dpa

INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herr Horch, gehen im Hamburger Hafen ohne die Elbvertiefung die Lichter aus?

Frank Horch: Nicht sofort. Der Hafen würde nicht geschlossen, da sollte die taz sich keine Hoffnungen machen. Aber für die langfristige Entwicklung des Hafens und des Wirtschaftsstandorts Hamburg hätte es volkswirtschaftlich ungemein harte Folgen, wenn die Fahrrinnenanpassung nicht käme.

Welche denn?

Wir haben hier eine enorm hohe Loco-Quote von etwa 30 Prozent, das heißt, fast ein Drittel des Umschlags wird in Hamburg hergestellt oder verbraucht. Das ist ein wichtiger Faktor für Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Steueraufkommen. Ohne die Elbvertiefung würde Hamburg an Prosperität verlieren.

Der Hafen ist überhaupt nicht ausgelastet: Der Umschlag liegt bei zehn Millionen Containern, die Prognose für 2025 sagt 16 Millionen, mit den aktuell geplanten Erweiterungen wäre Platz für 20 Millionen Container – wo sollen die Kisten denn herkommen?

Wir gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft tendenziell wieder kräftig wächst, und das Wachstum des Warenverkehrs liegt immer noch ein bisschen darüber. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Und auch die Schiffe werden immer größer, weil das ökonomischer ist und auch ökologischer. Unter beiden Aspekten ist es besser, 16.000 Container mit einem großen Frachter zu transportieren als auf zwei mittleren.

Sie haben doch bloß Angst, dass die Stadt nach Millioneninvestitionen auf leeren Hafenflächen sitzen bleibt, die niemand braucht.

Wir betreiben unsere Hafenentwicklung mit Augenmaß in guter Kooperation mit der Hafenwirtschaft. Es wird keine Investitionsruinen geben. Die Frage nach Überkapazitäten sollte vielmehr an andere Häfen adressiert werden, etwa an Rotterdam, wo mit der Maasvlakte II gerade eine gigantische Hafenerweiterung an den Markt gebracht wird.

Ein Problem ist, dass die Gleise und Straßen so verstopft sind, dass die Container gar nicht mehr fristgerecht aus dem und in den Hamburger Hafen transportiert werden können. Was wollen Sie dann mit noch mehr Kisten?

Es besteht die Notwendigkeit, den Hafen für die Zukunft zu ertüchtigen. Wir sind Teil der wachsenden globalen Warenströme,wir sind Start- und Zielpunkt für die großen Reedereien. Aus deren Fahrplänen herauszufallen, wäre ein Sturz in die Bedeutungslosigkeit. Wir können und dürfen uns aus diesem System nicht abkoppeln.

Die Umweltverbände schlagen eine Hafenkooperation von Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven vor. Dann könnte auf die Vertiefung der Elbe und auch der Weser verzichtet werden.

Wir arbeiten gut und kooperativ zusammen, aber niemand wird seinen Hafen zugunsten des anderen aufgeben. Das wäre ökonomisch und auch ökologisch unsinnig.

Befürchten Sie bei einer Elbvertiefung eigentlich ökologische Schäden?

Nein. Es wird Verbesserungen geben.

Echt jetzt?

Ja. Wir schaffen so viele Ausgleichsflächen und ergreifen eine Vielzahl von anderen Maßnahmen für sehr viel Geld – wir reden hier über dreistellige Millionenbeträge –, dass Sie sicher sein können, dass der ökologische Zustand der Elbe verbessert werden wird.

Sie sagen, dem Flusssystem der Tideelbe samt Nebenarmen und Flachwasserzonen werde es nach der Elbvertiefung besser gehen als jetzt?

Ja, eindeutig.

Die Umweltverbände sehen das anders, deshalb klagen sie ja.

Ich bin davon überzeugt, dass unsere Planung rechtlich und ökologisch exzellent ist.

Es gab jüngst unterschiedliche Zahlen über die Kosten. Wird die Elbvertiefung jetzt teurer als die Elbphilharmonie?

Nein. Der Hamburger Anteil beträgt mit rund 204 Millionen Euro ein Drittel der Kosten, den Rest übernimmt der Bund.

Ganz schön viel Geld für ein bisschen Schlickschippen.

Daran sind die jahrelangen Verzögerungen durch die Klagen der Verbände und auch die Aufwendungen für die ökologischen Ausgleichsmaßnahmen nicht ganz unbeteiligt.

Wird es denn, wie schon mal angedeutet, die letzte Elbvertiefung sein?

Ja.

Versprochen?

Es mag hier und da ein paar kleinere ergänzende Maßnahmen geben. Aber ein solches Projekt in einer ähnlichen Größenordnung wird es nach meiner Ansicht nicht noch einmal geben.