„Riesenproblem für die Fischfauna“

CONTRA Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg, hat gegen die Elbvertiefung geklagt. Seiner Meinung nach ist sie ökonomisch überflüssig und für die Elbe als Ökosystem bedrohlich

50, Geschäftsführer des BUND in Hamburg, Initiator des erfolgreichen Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Hamburger Energienetze. Er ist studierter Diplom-Ökotrophologe.  Foto: dpa

INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Herr Braasch, was haben Sie eigentlich gegen Hamburg?

Manfred Braasch: Gar nichts. Hamburg ist eine schöne grüne Stadt – und soll das auch bleiben.

Aber Sie wollen mit Ihrem Widerstand gegen die Elbvertiefung verhindern, dass große Schiffe mit vielen Containern für Wohlstand, Arbeit und Steuern in Hamburg sorgen.

Wir haben nichts gegen die Hafenwirtschaft, wir kämpfen für den sehr wertvollen Lebensraum Unterelbe. Wir gehen davon aus, dass diese Elbvertiefung ökologisch nicht mehr vertretbar ist.

Welche konkreten Schäden befürchten Sie?

Es besteht die Gefahr vermehrter Sauerstofflöcher in den Sommermonaten, die Fischfauna wird geschädigt. Es wird zu einer Umwandlung von ökologisch wichtigem Schlickwatt in lebensarmes Sandwatt kommen. Insbesondere an den Uferzonen wird die Strömungsgeschwindigkeit zunehmen, wichtige Flachwasserzonen verschwinden. Die Baggermengen, die Jahr für Jahr aus dem Fluss gebuddelt werden, um die tiefe Fahrrinne freizuhalten, werden weiter anwachsen, und schließlich werden die Lebensräume sehr seltener Pflanzen und Tiere vernichtet.

Kommen Sie jetzt wieder mit dem Schierlings-Wasserfenchel, mit dem Sie vor einem Jahrzehnt schon die Erweiterung des Airbus-Werks in die Elbebucht Mühlenberger Loch stoppen wollten?

Der Schierlings-Wasserfenchel ist eine endemische Art, das heißt, sie kommt weltweit nur an der Unterelbe vor. Deshalb ist diese Pflanze und ihr Lebensraum zu schützen und zu erhalten. Die Wasserrahmenrichtlinie der EU fordert ausdrücklich, den ökologischen Zustand der Gewässer zu verbessern. Die Elbvertiefung ist das Gegenteil davon.

Aber es gibt doch für Millionen Euro ökologische Ausgleichsmaßnahmen.

Diese Maßnahmen, zum Beispiel an Nebenflüssen wie der Stör, sind weitgehend Augenwischerei. Sie können die starken Eingriffe in die Ökologie des Flusses, etwa durch die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit, nicht ansatzweise ausgleichen.

Was ist daran so schlimm, wenn die Elbe ein bisschen flotter fließt?

Das ist ein Riesenproblem für die gesamte Fischfauna. Und es sorgt für noch größere Schlickmengen, die in die Fahrrinne und den Hafen gespült werden, und die wieder weggebaggert werden müssen.

Das Ausbaggern der Fahrrinne sorgt also dafür, dass hinterher noch mehr gebaggert werden muss?

In den offiziellen Unterlagen steht ausdrücklich eine Zunahme der Schlickmengen um zehn Prozent. Zurzeit werden übers Jahr 20 bis 25 Millionen Kubikmeter Schlick weggebaggert, die von der Tide angeschwemmt wurden. Das kostet bis zu 100 Millionen Euro im Jahr. Baggermengen und Kosten werden weiter ansteigen.

Die Elbvertiefung dient ja dem globalen Warenverkehr. Und Riesenfrachter sind doch – auch von Ihnen unbestritten – viel ökologischer als Laster oder selbst die Bahn.

Das ja, aber der Bedarf ist nicht da, weil diese Schiffe den Hamburger Hafen auch künftig ohne Elbvertiefung anlaufen können und werden. Nicht mit voller Ladung, aber es geht. Und es wird auch keine großartige Verlagerung von Umschlag zum Beispiel nach Rotterdam geben. Von dort Container auf dem Landweg nach Hamburg zu fahren, wäre viel zu teuer. Ladung, die nach Hamburg soll, wird auch künftig mit dem Schiff nach Hamburg kommen – und umgekehrt.

Sie behaupten, dass Stadt und Bund Hunderte von Millionen Euro für nichts und wieder nichts im Schlamm verbuddeln?

Das liegt an der Konkurrenz zwischen Hamburg, Bremerhaven und auch Wilhelmshaven. Die Weser soll ja auch vertieft werden, obwohl der neue Tiefseehafen in Wilhelmshaven bei Weitem nicht ausgelastet ist. Sinnvoller wäre aus unserer Sicht eine Hafenkooperation der drei Standorte. Die Transshipment-Container, die mit Feederschiffen in die Häfen an der Nord- und Ostsee weiterverteilt werden, könnten zentral im Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven umgeladen werden; nach Bremerhaven und Hamburg kämen nur die Container, die dort auch hin sollen. Das wäre ökonomischer und ökologischer gleichermaßen.

Die Politik sagt ja, das wäre die letzte Elbvertiefung. Könnten Sie da nicht ein Auge zudrücken und sagen: „Okay, das eine Mal noch, aber dann ist Schluss?“

Das wurde bei der vorigen Anpassung 1999 schon gesagt, und es gibt bereits erste Stimmen aus der Wirtschaft, die über die nächste Vertiefung spekulieren. Das also ist unglaubwürdig. Und noch einmal: Wir halten diese Elbvertiefung für rechtswidrig und ökologisch nicht vertretbar. Der Eingriff ist so gravierend, dass das gesamte Ökosystem des Flusses kippen könnte.