Bonusprogramm für Newsmeilen

PRIVAT-TV Die RTL-Gruppe produziert ihre Infoformate noch selbst. Dafür fordert die Senderchefin eine Belohnung

RTL-Hauptkonkurrent ProSiebenSat.1 hat seine zentrale Nachrichtenredaktion samt News-Kanal N24 längst verkauft

AUS KÖLN DANIEL BOUHS

News, Magazine, Talk: Geht es nach Anke Schäferkordt, der Chefin der RTL-Familie in Deutschland, dann soll die Medienpolitik für Sendungen dieser Art recht bald ein Bonusprogramm einführen. Statt geflogener Flugmeilen oder gefahrener Bahnkilometer soll es eine Belohnung für Sendeminuten geben, die mehr bieten als bloß gescriptete Realität, Blockbuster oder Shows. Eine Idee, die Schäferkordt im passenden Umfeld platziert: auf der Feier ihrer eigenen Journalistenschule. Die wurde gerade zehn Jahre alt.

Da steht Schäferkordt also. Und die Betriebswirtin sagt: „Sendeminuten ließen sich auch günstiger füllen.“ Tatsächlich ist das, was RTL vor allem nachmittags versendet, billigstes Programm; was sich hier als Dokumentation aus dem Leben des Publikums tarnt, ist schlicht per Drehbuch inszeniert. Die ARD geht hinter den Kulissen übrigens dagegen vor, dass diese Sendungen der vielfach gescholtenen „Scripted Reality“ von der Kölner Mediengruppe (auch RTL2, SuperRTL, n-tv und Vox) weiter in den Statistiken als Information ausgegeben wird.

Um unterirdische, äußerst preiswerte Sendungen wie diese geht es der Senderchefin an diesem Abend aber nicht. Sie zielt auf echte Information im Fernsehen ab – von harten Nachrichten bei „RTL aktuell“ bis hin zu bunten Magazinen wie „Extra“. Alles Formate, die auch von den hauseigenen Journalistenschülern bestückt werden. RTL will sich dafür belohnen lassen, dass es solche Sendungen noch bis heute selbst produziert.

Im Slang der Medienpolitik sagt Schäferkordt: „Es müsste Ziel der Ordnungspolitik sein, Informationsprogramme zu unterstützen.“ Es sei nämlich „an der Zeit, den Grundgedanken der Regulierung vom Zwangs- zu einem Motivationssystem umzubauen“. Die Politik möge doch bitte diejenigen mit Privilegien versehen, die trotz ihres natürlichen Hangs zum Kommerz über das Weltgeschehen berichten.

Dieser Einfall kommt der Westfälin freilich nicht von ungefähr. Ende 2009 hatte ihr Kollege Thomas Ebeling, der Chef der ProSiebenSat.1-Gruppe, den teuren TV-Nachrichten den Kampf angesagt. Die zentrale Nachrichtenredaktion seiner drei Vollprogramme ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins hat er samt dem gleichnamigen News-Kanal N24 inzwischen komplett verkauft. Die Münchner Sendergruppe, die sich mit RTL um TV-Marktanteile balgt, ist so zu einer reinen Abspielstation geworden: Redaktionen, die eigenes Informationsfernsehen produzieren, sind dort heute Mangelware.

Schäferkordts Gruppe wiederum bietet noch immer deutlich mehr. Eine eigene Tochtergesellschaft, die gut 500 Mann starke InfoNetwork, produziert mehrere Stunden Info- und Infotainment am Tag. Von „Punkt 6“ und „Punkt 12“ über Boulevard-Magazine und das „Nachtjournal“ – bis hin zu n-tv. RTL hält an seinem Newssender weiter fest. „Warum“, fragt Schäferkordt ob dieser Programmstärke, „wird das gesellschaftlich Relevante und Gewollte nicht gefördert?“

Entsprechende Anreize für Sender, die auf eigene News und Magazine setzten, könnten „Benefits“ bei der Platzierung in Programmführern sein. In ihrer Gruppe ist auch von möglichen zusätzlichen Freiheiten bei der Platzierung von Werbung die Rede. „Damit“, heißt es hinter den Kulissen, „hätten wir auch ökonomisch gesehen einen Grund, in starkem Maße auf Information zu setzen.“

In Köln, wo die RTL-Gruppe noch damit beschäftigt ist, sich in ihrem neuen Domizil in den Kölner Messehallen einzuleben, wissen sie auch: Käme ein solches Bonusprogramm für TV-Sender, würden vor allem sie profitieren. Wer wie die Konkurrenz in München in den vergangenen Jahren konsequent alles daran gesetzt hat, Information aus dem Haus zu verbannen, hätte das Nachsehen.

Das aber wäre nicht zuletzt sogar ein medienpolitischer Kniff: Informationsarme Sender stünden sofort unter Zugzwang. Das muss kein Fehler sein.