Die Stadt verliert an Mode

FASHION WEEK IM ABSEITS

Einmal im Jahr „Bread & Butter“ in Berlin, das reicht auch

Vielleicht braucht es die tiefen Frequenzen: „Modeindustrie wachbassen“ ist das Motto, mit dem heute am Samstag um 17 Uhr der „Butt & Better“-Umzug in der Friedrichstraße startet – eine dezidierte Gegenveranstaltung zur Modemesse „Bread & Butter“ im ehemaligen Flughafen Tempelhof. Die hat zwar seit heute schon wieder ihre Pforten geschlossen, aber den Impetus des Umzugs – „gegen Fashionterror“ und für eine „faire Mode“ ohne Ausbeutung von Arbeitskraft in Ländern der Dritten Welt – versteht trotzdem jeder.

Vielleicht geht der „Butt & Better“ aber schon bald der Antipode ganz abhanden, auf den sie sich bezieht, ähnlich wie einst der Fuckparade, als diese plötzlich ohne Berliner Loveparade dastand. Nicht nur dass die „Bread & Butter“ als elementarer Teil der Fashion Week immer mehr an Glanz verliert, schrumpft und große Aussteller wegbleiben. Nein, es wurde auch bekannt gegeben, dass die Messe fortan nur noch einmal statt zweimal jährlich in Berlin stattfinden wird. Im Winter will man Barcelona Berlin vorziehen. Dieser Umzug habe allein mit dem Bedürfnis zu tun, mal etwas anderes auszuprobieren, gaben die Betreiber der Messe an. Es drängt sich aber der Gedanke auf: Einmal im Jahr „Bread & Butter“ in Berlin, das reicht auch.

Berlin ist modemäßig einfach nicht vergleichbar mit Paris oder London, auch wenn davon immer noch geträumt wird. Berlin ist eher eine Stadt, zu der mehr eine Gaga-Veranstaltung wie die „Butt & Better“ passt, auf der Captain Trash und andere Freaks Antimode und politisches Bewusstsein präsentieren, als ein Ort, der kollektiv in Verzückung gerät, wenn endlich mal wieder Fashion Week ist. Wie wenig diese in Berlin verankert ist, das konnte man in diesem Jahr deutlich sehen. Vor der Fanmeile, einer Veranstaltung beinahe exklusiv für ausgesucht geschmacklos gekleidete Schland-Wichtl, hat sich der traditionelle Mercedes-Benz-Fashion-Week-Catwalk klaglos irgendwohin nach Wedding vertreiben lassen, damit auch wirklich niemand etwas von ihm mitkriegt. Wahrscheinlich auch, weil der Namensgeber der Veranstaltung, Mercedes, schnell eingesehen hat, dass er als gleichzeitiger Hauptsponsor der deutschen Fußballnationalmannschaft dann doch lieber massiv bei alkoholisierten Schland-Fans präsent sein will als bei den Berliner Fashionistas. ANDREAS HARTMANN