Schalke im Gazprom-Rausch

Bundesligist Schalke 04 ist mit dem Freundschaftskick gegen Zenit St. Petersburg endgültig in der Gazprom-Familie angekommen. Kritische Stimmen fehlen der deutsch-russischen Vereinigungsfeier

„Gazprom hat sich nicht lumpen lassen“, sagte Schalke-Spieler Fabian Ernst

AUS GELSENKIRCHENANDREAS MORBACH

Als das Präsentationstamtam inklusive Geschenkausgabe an die Zuschauer vorbei war, die Schalker ihre neuen Kumpels aus St. Petersburg mit 2:1 besiegt und die Fans in der Nordkurve ihr frisches Riesen-Gazprom-Trikot eingepackt hatten, feierte das Führungspersonal noch ein bisschen weiter. Vom Stadion aus zogen die Vereinslenker aus Gelsenkirchen und St. Petersburg weiter zum Schalker Markt, wo der neue Hauptsponsor Gazprom zu Musik und Tanz geladen hatte.

Nett wollten aber auch die Schalker sein. Allein schon aus Dankbarkeit über die – im Idealfall – 125 Millionen Euro, die bis zum Sommer 2012 von Russland aus ins Ruhrgebiet ließen werden, bemühten sie sich um einen besonders warmen Empfang ihrer Gäste. Die vollbesetzte Arena beim Testspiel am Samstag, kommentierte etwa S04-Vorstand Peter Peters, freue ihn „ungemein für Gazprom“. Manager Andreas Müller („Ein toller, würdiger Rahmen für die Vorstellung unseres neuen Partners“) machte vorab ebenfalls den Diener, und Mittelfeldspieler Fabian Ernst lobte danach: „Gazprom hat sich nicht lumpen lassen – weder bei der Show noch bei den Geschenken.“

Etwas Imagepflege kann gerade im Fall des russischen Energieriesen ja auch nicht schaden. Denn so großzügig wie bei der Werbeveranstaltung auf Schalke ist Gazprom beileibe nicht immer. Der weißrussischen Regierung drohte das Mega-Unternehmen Ende Dezember mit einem Stopp der Gaslieferungen – am 1. Januar kam es zu einer Einigung, die Weißrussen bezahlen für ihr Gas nun doppelt so viel wie zuvor. In ähnlicher Weise verfuhr Schalkes neuer Hauptsponsor vor einem Jahr mit der Ukraine. Und es klingt fast bedrohlich, wenn Sergej Fursenko, Präsident des Gazprom-Klubs St. Petersburg, ankündigt: „Wir haben spezielle Pläne, Gazprom den Medien und den Fans näher zu bringen.“ Denn: „Jeder spricht über Gazprom, aber keiner weiß, was das wirklich bedeutet.“

Bekannt ist in Deutschland immerhin, dass die russische Regierung beim neuen Hauptsponsor des FC Schalke die Kontrollmehrheit von 50 Prozent plus eine Aktie hält. Oder dass der russische Gasmonopolist seinerseits vor 13 Monaten 75 Prozent der Aktien von Zenit St. Petersburg erworben hat. Zenit hatte die parallel zum Kalenderjahr ausgetragene russische Meisterschaft da gerade auf Rang sechs beendet – und wurde umgehend mit den verschärften Ansprüchen der neuen Führung konfrontiert. „Gazprom“, erklärte Fursenko zur Begrüßung, „ist Weltmeister in der Gas-Branche. Und unsere Mannschaft muss alle Wettbewerbe gewinnen, an denen sie teilnimmt.“

Dem wilden Ehrgeiz des einmaligen UdSSR-Meisters (1984), der langfristig in der Champions League mitmischen will, fiel als erster Cheftrainer Wlastimil Petrzela zum Opfer. Seit einem halben Jahr coacht der Niederländer Dick Advocaat den Klub, am Saisonende im November reichte es hinter den drei Moskauer Teams ZSKA, Spartak und Lomomotive aber nur zu Rang vier. Was fürs Erste bedeutet: Intertoto-Cup statt Champions League.

Besser will Zenit mitsamt seinem Hauptaktionär also werden – und bekannter in Mittel- und Westeuropa. Deshalb sponsert Gazprom jetzt die deutsche Fußball-Institution Schalke 04, deshalb wollen Zenit und Schalke künftig in der fußballerischen Ausbildung, bei Trainingsplanungen oder im Reha-Bereich kooperieren. Und deshalb belassen es die expansionsfreudigen Russen auch nicht bei der Zusammenarbeit mit dem blau-weißen Revierklub: Kurz nach Weihnachten gab St. Petersburg einen langfristigen Partnerschaftsvertrag mit dem FC Sevilla, dem Uefa-Cup-Sieger vom Vorjahr, bekannt.

„Ich denke“, kommentierte Zenit-Sportdirektor Konstantin Sarsania anschließend, „dies ist einer der größten Deals in der Geschichte des russischen Fußballs.“ Erstaunlich ist nur, dass die Vereinbarungen zwischen Zenit und Sevilla in Gelsenkirchen auch dreieinhalb Wochen später noch unbekannt sind. „Davon wusste ich nichts“, gestand S04-Finanzchef Josef Schnusenberg gestern, ging aber nach der ersten Überraschung umgehend in die Offensive: „Ich habe damit überhaupt kein Problem. Jetzt sind wir eben zu dritt – umso besser.“