Deutschlands Sprudelkarte

CO2-ABSCHEIDUNG Greenpeace hat eine Übersicht erstritten, die zeigt, wo künftig das Klimagas in den Boden gepresst werden könnte. Betroffene Gemeinden nicht informiert

Anwohner fürchten, dass Trinkwasser künftig sauer wird

VON INGO ARZT

Ein halbes Jahr stritt Karsten Smid, bei Greenpeace zuständig für Klima und Energie, mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Zwischenzeitlich habe das Amt behauptet, die gewünschten Daten würden in dieser Form nicht vorliegen, sagt Smid: Angaben darüber, wo in Deutschland nach Plänen der Bundesregierung künftig CO2 in den Boden gepresst werden könnte.

„Die Bundesregierung will die öffentliche Debatte um die Endlager nicht“, sagt Smid. Da das BGR bereits berechnet hatte, wie groß mögliche Kohlendioxid-Speicher sind, argumentierte Smid, es müsse auch Informationen über die Standorte geben. Erst danach habe man die offensichtlich doch vorhandenen Daten herausgerückt – nicht ohne den Hinweis, eine Veröffentlichung sei aus Gründen des Copyrights nicht möglich.

Nun fordert Greenpeace Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf, die Gemeinden, Landkreise und Städte zu informieren, in deren Boden Klimagase gepresst werden könnten. Dabei soll CO2 aus großen Kraftwerken und Industrieanlagen abgetrennt und langfristig in tiefen geologischen Formationen gespeichert werden – allein deutsche Kohlekraftwerke stoßen im Jahr 350 Millionen Tonnen des Klimagases aus. Neben den in der Karte verzeichneten Salzwasser führenden Gesteinsschichten bilden auch ehemalige Erdöl- und Erdgasquellen mögliche CO2-Lagerstätten. Das sogenannte CCS-Verfahren ist umstritten, Deutschland erprobt die Technik beispielsweise im brandenburgischen Ketzin. Die Technik gilt als unsicher, schließlich müssen die Lager 10.000 Jahre dicht halten. Es bilden sich bereits Bürgerinitiativen, die fürchten, das Gas könnte austreten und Trinkwasser säuern.

Das BGR versuchte in einer Pressemitteilung den vorläufigen Charakter der Lagerstätten herauszustellen. Die Ausweisung von konkreten Standorten zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid in Deutschland sei nicht die Aufgabe des BGR, hieß es. Vielmehr handle es sich bei den 408 möglichen Speicherstrukturen um eine „rein geowissenschaftliche Bewertung des Untergrundes in drei großen Sedimentbecken Deutschlands“. Zudem konnten noch nicht alle alle Regionen mit Speicherpotenzial in Deutschland betrachtet werden, so das Amt weiter: „Damit haben die bisherigen Befunde einen vorläufigen Charakter.“ Es müssen noch weitere umfangreiche Erkundungen geben.

Zwar gab es gestern noch keine Reaktion des Bundesumweltministeriums – angesichts des vorläufigen Charakters der Daten ist aber kaum zu erwarten, dass es Städte und Gemeinden bereits über mögliche Standorte informiert lässt. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem CCS-Gesetz, bisher gibt es nur eine Richtlinie der EU. Deutschland muss sie bis zum 20. Juni dieses Jahres umsetzen, spätestens dann muss das Gesetz also stehen. Im Energiekonzept der Bundesregierung vom vergangenen Herbst ist bereits vorgesehen, dass Energiekonzerne Geld vom Staat bekommen werden, wenn sie neue Kohlekraftwerke mit der CCS-Technologie bauen. Umstritten ist vor allem, wie viel Platz im deutschen Boden für CO2 ist: Greenpeace rechnet damit, dass die Speicher nach einer Kraftwerksgeneration voll sein könnten. Zudem konkurrieren sie mit Energiespeichern für regenerativen Strom. Der soll künftig etwa in Form von Druckluft gespeichert werden – in den gleichen Lagerstätten, in denen die Regierung die großen Energiekonzerne ihr CO2 versenken lassen will. Allerdings soll die CCS-Technik erst 2020 einsatzbereit sein – frühestens. Bis dahin hat sich die EU verpflichtet, ihren CO2-Ausstoß um 20 Prozent zu senken. Dafür kommt die Technik auf jeden Fall zu spät.