Clownswurst erkannt, NSA gebannt!

Vieles verkauft sich einfacher, wenn die Dinge ein Gesicht bekommen. Das wusste schon die Metzgersfrau, die mir als Kind zur Kundenbindung Clownswurstscheiben über die Theke reichte.

Und das scheint sich auch jetzt wieder zu bewahrheiten: Von schwersten Erschütterungen der amerikanisch-deutschen Beziehungen wird, bitte schön, erst gesprochen, wenn transatlantisch Spitzel Spitzel bespitzeln. Gut, öffentlich bekannt sind die Gesichter der anderthalb mutmaßlichen Maulwürfe in BND und Verteidigungsministerium noch nicht. Aber Spionage, da kann sich endlich mal jeder etwas drunter vorstellen – Glienicker Brücke, Homeland, hochgeklappte Mantelkrägen, stapelweise geheime Akten, wie im Film.

Das ist nicht so abstrakt und schwammig wie der eigentliche Skandal, den die Bundesregierung schon seit einem Jahr nicht so nennen will: die Tatsache, dass die NSA die digitale Kommunikation jedes Deutschen, der Internetanschluss hat, überwacht und Deutschland zu einem seiner Hauptspähziele auserkoren hat.

Aber wenn man in Deutschland eines aus der Finanzkrise gelernt hat, dann, dass es sich durchaus auszahlen kann, sich einfach wegzuducken und gar nicht mehr aufzuregen, wenn ein Problem zu groß und komplex erscheint und praktischerweise außerhalb des eigenen Einflussbereichs liegt. Irgendwann wird das Problem schon angemerkelt werden: ein bisschen Handlung simuliert, ein paar rhetorische Nebelkerzen geworfen und schwupp, Problem einfach in r irgendwelche Griechenländer abgeschoben.

Auch ein, zwei Geheimdienstmitarbeiter sind natürlich bequemer bauerngeopfert, als der gigantische Spähapparat der NSA mal eben ausgehebelt wird. Dann ist man das Problem entschlossen angegangen, betont vollstes Vertrauen, die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind saniert, Merkelraute, neuer Blazer, weitermachen. Politik mit Köpfen – das lenkt schön ab von der unangenehmen Tatsache, dass diese ganze NSA-Spitzeleien hierzulande auch 13 Monate nach Beginn der Snowden-Enthüllungen unverändert weitergehen.

Immerhin hat man ja einen Untersuchungsausschuss zum Thema eingerichtet. Der es aber, apropos Köpfe und Verkaufe, hauptsächlich in die Schlagzeilen schafft, wenn mal wieder darüber gestritten wird, ob man Whistleblower Ed Snowden himself dort anhören soll und kann und darf. Asyl für Snowden, ja nein. Anhörung von Snowden, Mehrwert oder nicht – da kann jeder mit rummeinen, ohne sich auch nur drei Sekunden mit den technischen Details des Abhörskandals beschäftigen zu müssen.

Kaum zu glauben, dass dieses Land voller friedlicher digital voll durchleuchteter Bürger das gleiche sein sollte, das sich einmal einen Sommer lang darüber aufregen konnte, dass Google mit Fotos von Häuserfassaden seine Privatsphäre verletzt. Dekaden entfernt fühlt sich das an – war aber erst 2010, nur eine Fußballweltmeisterschaft weit weg. Damals, als Menschen auf Fanmeilen es plötzlich okay fanden, schwarz-rot-goldende Pickelhauben zu Vuvuzelas zu tragen.

Dieses Jahr wiederum warb man um die Sympathien der Welt einfach, indem man dem Gastgeberteam im Halbfinale so lange Treffer zwischen die Latten dengelte, bis bei der NSA, die bekanntlich jeden hoch verdächtig findet, der dieses „TOR“ auch nur erwähnt, die Datenbanken vollliefen und Fotos von heulenden Brasilienfans im Stadion den peinlich berührten deutschen Twitter-Nutzern mehr Emotionen abrangen als das dingensbingenste Tor von Schürrle.

Letzte Gelegenheit in dieser Woche, die allgemeine Wurschtigkeit für alle Nichtfußballthemen auszunutzen, um auch noch die krudesten Thesen und Geständnisse unterzubringen: Diese Maut kompatibel mit EU-Recht? Zeitungen noch immer Leitmedium in Deutschland? Ein Bundestagspolitiker auf der Elendsdroge Crystal Meth? Schon recht, alles klar – aber wie geht es eigentlich der Sehne in der Kniekehle von Mats Hummels?

Und so werden wir am Montagmorgen aufwachen, und es wird vorbei sein. Und Gaza und Jerusalem werden bombardiert worden sein. Und verzweifelte Flüchtlinge werden den Fernsehturm besetzt haben.

Und auch sonst wird nichts gut geworden sein, während wir still lagen und uns über Eistonnen amüsierten und über beißende Uruguayer und sogar verdrängt bekamen, was für ein ekliger Laden die Fifa eigentlich ist.

Nur Olli Kahn und die anderen öffentlich-rechtlichen Fußballsprechbreiproduzenten –die werden endlich mal die Klappe halten.

MEIKE LAAFF