Deutsche Aktien auf Sechs-Jahres-Hoch

Seit mehreren Jahren legen die Finanzmärkte schon zu. Lohnt es sich wieder, Aktien zu kaufen? Experten warnen: Trotz rosiger Konjunkturdaten und sinkenden Ölpreises stünden die Börsen unmittelbar „vor einer ernsten Korrektur“

BERLIN taz ■ Seit vier Jahren steigt der Deutsche Aktienindex (DAX) fast ununterbrochen, bis er am Freitag mit 6.755 Punkten den höchsten Stand seit Februar 2001 erreichte. Trotzdem ist die Zahl der Aktionäre in Deutschland auf 10,3 Millionen gefallen und damit auf den niedrigsten Stand seit 1999, klagt das Deutsche Aktieninstitut. Spätestens seit dem Mini-Börsencrash im vergangenen Mai sind viele Anleger, die sich zum Beispiel mit der „Volksaktie“ Telekom die Finger verbrannt hatten, vorsichtig. Zu vorsichtig, meinen viele Anlageberater, sind doch die Konjunkturaussichten mit geschätzten 2 Prozent Wirtschaftswachstum 2007 rosig. Und hat denn nicht der DAX erst im vergangenen Jahr 22 Prozent zugelegt, nach 27 Prozent im Jahr davor?

Alles richtig. Die Frage ist aber: Soll man ausgerechnet jetzt wieder in den Markt einsteigen? Sicher, der Ölpreis sinkt, die US-Wirtschaft ist erstaunlich robust, und die Prognosen für die Weltwirtschaft sind positiv. Trotzdem sieht der Analyst der BHF Bank die „Zeit für eine Korrektur“ nahen, und Vermögensmanager Marc Faber sagte kürzlich auch weltweit ein „ernste Korrektur“ voraus. Gerade dem Zugpferd US-Wirtschaft könnte bald die Puste ausgehen. Technologie-Riesen wie Apple und IBM haben gerade mit ihren Quartalsbilanzen die Märkte enttäuscht und die Kurse an der Wall Street gedrückt. „Schwache Ergebnisse sind ein echtes Hemmnis“, klagt der US-Informationsdienst MarketWatch. Der Immobilienboom neigt sich überdies dem Ende zu. Und vor wenigen Tagen erschreckte US-Notenbankpräsident Ben Bernanke die Investoren, als er vor einer fiskalischen Krise in Folge unsolider Haushaltspolitik warnte.

Dennoch entscheiden sich viele Anleger für einen Wiedereinstieg in den Markt – aus Angst, den Zug zu verpassen. „Da sind sie wieder, die Zittrigen“, lästert Gottfried Heller, der Geschäftspartner des inzwischen verstorbenen Börsen-Gurus André Kostolany. Er rechnet daher mit starken Kursschwankungen. Investment-Profis etwa von Hedge-Fonds könnten sich zu besonders riskanten Anlagen verleitet sehen, um ein paar Extraprofite rauszuholen.

Die Frage ist, ob die reale Wirtschaft diese Profite rechtfertigt. Dass das Verhältnis von Aktienkursen zu Unternehmensgewinnen hierzulande derzeit bei 13 liegt und damit unter dem Wert von 15 in den USA, ist ein schwacher Trost. Denn die Zahl basiert auf Gewinnen, die deutlich über dem historischen Schnitt liegen und durch eine Umstellung der Bilanzierungsmethode ab 2005 aufgeblasen wurden. Normalisiert sich die Ertragslage wieder, könnte das Kurs-Gewinn-Verhältnis sehr schnell ungünstig aussehen. NICOLA LIEBERT

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