Die vergessenen vier

Vor 16 Jahren das letzte Attentat. Vor 13 Jahren der Gewaltverzicht. Noch immer sitzen vier frühere RAF-Mitglieder in Haft

VON WOLFGANG GAST

Zusammen bringen sie einiges auf die Waage: Brigitte Mohnhaupt kommt auf insgesamt 28, Christian Klar auf 25, Eva Haule auf 20 und Birgit Hogefeld auf vergleichsweise wenige 14 Jahre Haft. Die letzten vier noch inhaftierten früheren Mitglieder der terroristischen „Roten Armee Fraktion“ (RAF) haben gemeinsam 87 Jahre hinter Gefängnismauern verbracht – und viele davon unter verschärften Haftbedingungen.

Auf ihre Art sind die vier heute Gestrandete der Geschichte: Denn seit die Guerilleros 1998 in ihrer Auflösungserklärung konstatierten, „Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte“, sind die einstigen Kämpfer aus dem öffentlichen Interesse nahezu vollkommen verschwunden. Auch für den bewaffneten Kampf gelten die Gesetze der Mediengesellschaft: Keine spektakulären Ereignisse, keine Berichterstattung.

Das Schicksal der vergessenen vier liegt somit heute in den Händen derer, die die RAF seit ihrer Gründung 1970 am verbissensten bekämpft hatte: bei der deutschen Politik und Justiz. Genauer: bei den Strafsenaten der Oberlandesgerichte, die über eine vorzeitige Haftentlassung zu entscheiden haben, und beim Bundespräsidenten Horst Köhler, der für Gnadengesuche zuständig ist.

An beiden liegt es, das letzte Kapitel des „Deutschen Herbstes“ zu schließen. Der von der RAF ausgerufene „bewaffnete Kampf“ erreichte im September 1977 mit der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer seinen Höhepunkt.

Aktuell steht der Fall Brigitte Mohnhaupt an: Die in Bayern Einsitzende hat beantragt, den Rest ihrer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Heute findet dazu in der Haftanstalt Aichach hinter verschlossenen Türen eine Anhörung der 57-Jährigen statt. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Stuttgart wird für Anfang Februar erwartet.

Dies hätte Signalcharakter für die drei anderen Gefangenen: Im Gegensatz zu vielen anderen ehemaligen RAF-Mitgliedern hat Mohnhaupt weder um Gnade gebeten noch sich bei irgendjemandem entschuldigt. Mohnhaupt war am 11. November 1982 festgenommen und 1985 wegen der Rädelsführerschaft bei der sogenannten „Offensive 77“ zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Für Christian Klar, der nur wenige Tage nach Mohnhaupt festgenommen und wegen derselben Delikte wie Mohnhaupt verurteilt wurde, ist die Lage verfahrener. Er soll nach dem Willen der Strafverfolger mindestens 26 Jahre Haft verbüßen. Für eine Freilassung des heute 54-Jährigen hatte sich insbesondere der 2004 verstorbene Journalist Günter Gaus eingesetzt. Er überzeugte Klar davon, beim damaligen Bundespräsidenten Rau ein Gnadengesuch zu stellen.

Sein Nachfolger Köhler prüft derzeit das Gesuch. Nach Informationen des Spiegels hat das Präsidialamt inzwischen das Bundesjustizministerium um eine Stellungnahme gebeten – nach früheren Konsultationen mit der Bundesanwaltschaft ein weiteres Zeichen dafür, dass das Begnadigungsverfahren einen positiven Verlauf nehmen könnte.