Siegeln lohnt sich, kostet aber erst mal

ZEICHEN SETZEN Biosiegel sind aus dem Einkaufsalltag kaum noch wegzudenken. Doch was vielen hier als Selbstverständlichkeit gilt, ist für manchen Produzenten mit Mühe und Kosten verbunden, vor allem aufgrund der weltweit unterschiedlichen Standards

Die Vereinheitlichung zumindest auf europäischer Ebene wäre ein Fortschritt

VON VOLKER ENGELS

Im vergangenen Jahr gründete der Münchner Kaufmann Thomas Zimmermann den Internetladen Teealternative.de, auf dessen Seite Verbraucher Biotee aus der Anbauregion Assam online bestellen können.

Grundsätzlich, sagt der Gründer des Online-Shops, stehe er voll hinter den Biosiegeln: „Bei den Kontrollen der Zertifizierungsstellen wird zum Beispiel auch untersucht, ob ein Importeur nicht mehr Bioware in den Handel bringt, als er überhaupt eingeführt hat.“ Vor Ort in den Produktionsländern, klagt der gebürtige Berliner, dessen Tees das deutsche und das europäische Biosiegel tragen, sei die Zertifizierung nach den verschiedenen nationalen Biorichtlinien aber mit hohen Kosten und enormem bürokratischem Aufwand verbunden: „Die Produzenten, die ihre Ware mit einem Biolabel auf die Märkte der großen Verbraucherländer der EU, USA, Schweiz oder Japan bringen wollen, müssen sich nach den jeweiligen nationalen Richtlinien gesondert zertifizieren lassen.“

Die Teealternative führt im Jahr zwei Tonnen Assam-Tee ein. „Mit einer so geringen Menge“, so der 59-Jährige weiter, „ist man auf diesem Markt ein ziemlich kleiner Player, da lohnen sich die Kosten für zusätzliche Siegel der verschiedenen Ökolandbauverbände, wie zum Beispiel Naturland, für den Teeproduzenten nicht.“ Auch der Importeur müsse zusätzlich Prüfungs- und Lizenzgebühren an die Zertifizierungsstellen entrichten. „Produzenten und Importeure müssen einen erheblichen Aufwand in Kauf nehmen, damit Verbraucher naturreinen Tee mit gutem Gewissen trinken können.“

Das Problem vielfältiger Siegel sieht auch Detlef Virchow, Geschäftsführer des Food Security Center an der Universität Hohenheim. Das Zentrum forscht zum Thema weltweite Ernährungssicherheit und arbeitet eng mit Entwicklungsländern zusammen.

„In manchen Ländern arbeiten noch keine Zertifizierungsstellen. Wenn sich dann ein Zertifizierer extra aus Europa oder den USA auf den Weg machen muss, kostet das viel Geld.“ Geld, das gerade kleine Anbaubetriebe nicht haben. Es gebe aber die Möglichkeit sogenannter Gruppenzertifizierungen mehrerer Kleinbetriebe, was die Kosten erheblich reduziert. Bei diesem Verfahren kontrollieren sich die Kleinbetriebe vor Ort nach einem festgelegten Kriterienkatalog selbst und werden dann nur als Gruppe überprüft.

Inzwischen gebe es eine Vielzahl von Siegeln, die nach ökologischen oder sozialen Kriterien ausgestellt werden, den CO2-Fußabdruck oder nachhaltige Anbaumethoden berücksichtigen. „Die Siegelvielfalt ist für viele Erzeuger sehr unübersichtlich“, so der promovierte Agrarökonom. Sein Fazit: „Man sollte die zentralen Anforderungen an die Siegel reduzieren, damit es auch für kleine Anbaubetriebe in den Produktionsländern günstiger wird.“

Auch für größere Produzenten ökologischer Tees, wie das indische Familienunternehmen Chamong – von dem auch die Teealternative ihre Ware bezieht –, ist die weltweite Siegelflut ein Ärgernis: „Wenn es ein einziges weltweit gültiges Siegel gäbe, ließen sich die Kosten und der bürokratische Aufwand für uns nachhaltig reduzieren“, sagt Ajay Kichlu. „One Global Certificate“ könnte das Siegel heißen, so der Geschäftsführer der Firma, die seit 1916 im Teegeschäft aktiv ist und Teeplantagen in Assam und Darjeeling betreibt.

Muss extra ein Zertifizierer aus Übersee anreisen, kostet das viel Geld

Dreizehn Gärten in Darjeeling produzieren vollständig „bio“, drei von vier Gärten in Assam ebenso. Im Jahr 1993 habe die Firma sich entschieden, komplett auf den ökologischen Anbau von Tees zu setzten: „Von dieser Umstellung hat ganz klar die Qualität und der Geschmack der Tees profitiert, aber auch die Gesundheit der Arbeiter und ihrer Familien, die nun nicht länger mit Chemikalien hantieren müssen.“ Ein Großteil der Gärten ist nicht nur mit staatlichen Biosiegeln zertifiziert, sondern darf auch Logos des Fairen Handels sowie einiger Ökolandbauverbände tragen. „Die Umstellung hat also das Wohlergehen aller Beteiligten erhöht“, so Kichlu. Und „beteiligt“ sind neben den Konsumenten eben auch 9.700 Arbeiterinnen und Arbeiter in den Teeplantagen.

Produzenten, die ihre Produkte mit den Siegeln von „Bioland“, „Demeter“ oder „Naturland“ versehen wollen, müssen sich härteren Anforderungen unterwerfen, als sie für das staatliche Biosiegel nötig sind. „Wir haben strengere Kriterien, die wir natürlich auch abprüfen müssen“, sagt Friedrun Sachs von „Naturland“, dem Verband für ökologischen Landbau e. V.

Sobald ein Betrieb so groß sei, dass er auch exportieren könne, sei das Zertifizierungsverfahren für die Hersteller „eigentlich kein Problem“. Gleichwohl gebe es Diskussionen in der Branche, ob eine Vereinheitlichung zumindest auf europäischer Ebene möglich sein könnte.

Die Diskussion könnte sich rechnen, auch für den Einzelhandel: Denn dass ein Biosiegel nicht nur unter ökologischen Gesichtspunkten sinnvoll ist, sondern auch ein wirksames Marketinginstrument sein kann, belegt eine Studie der Universitäten Bonn und Greifswald aus dem vergangenen Jahr: Im Schnitt waren die Teilnehmer eines Versuchs bereit, 45 Prozent mehr Geld für Produkte mit dem Siegel zu zahlen. Siegeln lohnt sich also für alle Beteiligten.