Die kleine Wortkunde[flüchtlingsstrom]

In Tunesien ist das Fass übergelaufen, nun scheint in Europa die Meldung „Land unter“ zu drohen. Flüchtlingsströme, Flüchtlingswellen, anhaltender Zustrom tunesischer Flüchtlinge: Die wässrigen Metaphern lassen tief auf den Seelengrund der europäischen Ängste blicken. Ströme, das sind riesige Wassermassen, die unaufhaltsam in eine Richtung rollen und in Meere münden, vorher aber gerne auch über die Ufer treten und dabei auch mal ganze Autos, Menschen, Dörfer mit sich reißen.

Was, wenn die Dämme an Europas Grenzen brechen? Werden die Tunesier unser europäisches Dorf ebenso massenweise überfluten wie die arme 4.000-Seelen-Insel Lampedusa? Wird der Ansturm, der Massenansturm der Flüchtenden unsere Industrie, unsere Bevölkerung, unsere Städte und Dörfer mit sich reißen und verwüsten? Über 5.000 sollen bereits auf jener italienischen Insel gestrandet sein und vielleicht werden es noch mehr. Italien schreit seit Tagen bei der EU um Hilfe und bittet um einen „Verteilungsmechanismus“, der den Strom lenken soll. Die Bundesregierung aber hält nichts von Lenkung, sie setzt lieber auf Dämme namens Frontex und auf Geldströme, die den Flüchtenden entgegenfließen sollen oder besser: die gegen die Flüchtlingsströme laufen sollen. Bleibt zu hoffen, dass es nicht auf tunesischen, libyschen oder sonstigen Sandbänken versickern wird. Für Deutschland jedenfalls scheint die Rechnung aufzugehen. Es hat sich erfolgreich weggeduckt unter dem naturgewaltigen Massenexodus der Jasminveteranen. CR