Börse in weiter Ferne

„Bahn für alle“ hofft, dass die geplante Privatisierung der DB AG scheitert. Das dann fehlende Geld könne ein Verkauf der Logistik-Sparte bringen

von GERNOT KNÖDLER

Die Kritiker der Bahn-Privatisierung schöpfen Hoffnung. In den vergangenen Tagen mehrten sich die Anzeichen dafür, dass der geplante Börsengang der Deutschen Bahn in der laufenden Wahlperiode am Streit innerhalb der schwarz-roten Regierungskoalition scheitern könnte. „Bahn für alle“, ein Bündnis von Umwelt- und Verkehrsverbänden, verlangte gestern, die Privatisierungspläne endgültig aufzugeben. Um ihren Kapitalbedarf zu decken, solle sich die Bahn von ihrer Logistiktochter Schenker trennen.

„Warum muss die Bahn globale Speditionen und Logistikunternehmen besitzen?“, fragte Winfried Wolf vom Bündnis. „Sie soll sich endlich wieder auf ihre Aufgabe konzentrieren, bürgernahen und verlässlichen Bahnverkehr zu gewährleisten.“

Die Idee wurde bereits von Unionspolitikern aufgegriffen. „Wenn der Börsengang scheitert, kann Bahnchef Hartmut Mehdorn ja auch 50 Prozent der Gütersparte Schenker an die Börse bringen“, schlug der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer vor. Das könne 3 Milliarden Euro in die Kasse der Bahn spülen. Aus dem Bundeshaushalt werde die Bahn jedenfalls keine Verstärkung für ihr Eigenkapital bekommen.

Das Bündnis „Bahn für alle“, zu dem auch Attac, Robin Wood sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz gehören, plädiert dafür, die Bahn im Besitz von Bund, Ländern und Kommunen weiterzuentwickeln. „Der Schienenverkehr ist ein zentrales Element in einer auf Klimaverträglichkeit und Zukunftsfähigkeit ausgerichteten Energie- und Verkehrspolitik“, argumentiert das Bündnis. Dies aus der Hand zu geben, wenn Themen wie Klimaschutz und Energieverteuerung Furore machten, sei kurzsichtig.

Berichte über einen Dissens in der Koalition sind Wasser auf die Mühlen des Bündnisses. „Wir rechnen nicht damit, dass es zu einer Einigung kommt“, hieß es aus „regierungsnahen Kreisen“. Aus dem Umfeld der SPD kam der Vorwurf, die Union bewege sich bei den Verhandlungen nicht. Schon am Dienstag hatte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) davon gesprochen, dass der Börsengang scheitern könnte, dies aber noch als „Extremfall“ bezeichnet.

SPD und Union streiten darüber, ob die Bahn mit oder ohne Schienennetz privatisiert wird. Während die Union die Gleise im Eigentum des Staates belassen will, streben die Fachpolitiker der SPD ein Mischmodell an: Das Schienennetz soll zwar juristisch Bundeseigentum bleiben, wirtschaftlich aber Eigentum der Bahn werden. Die Union und Teile der SPD befürchten, dass die Bahn mit dem Mischmodell in Wirklichkeit komplett privatisiert würde. Bis zum 8. November wollten sich die Koalitionspartner eigentlich einigen. Nach Angaben des SPD-Abgeordneten Hermann Scheer gibt es aber bei vielen Abgeordneten aller Regierungsparteien grundsätzliche Zweifel an der Privatisierung. In der Koalition gebe es dafür keine Mehrheit, behauptet er. Die Privatisierung könne jederzeit gestoppt werden.