Der Russe kommt

Thomas Haas steht bei den Australian Open nach seinem Sieg über David Nalbandian im Viertelfinale, doch da trifft er auf einen Gegner, der Angst macht: Nikolai Dawidenko

MELBOURNE taz ■ Gut gelaunt saß Thomas Haas nach seinem Sieg gegen David Nalbandian (4:6, 6:3, 6:2, 6:3) da, aber irgendwie ließ es sich nicht vermeiden, ihm die Stimmung ein wenig zu verderben. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, ob er im Viertelfinale am Mittwoch gegen den Russen Nikolai Dawidenko oder den Tschechen Tomas Berdych spielen würde, doch das machte ohnehin keinen großen Unterschied. Gegen beide spielt er nicht gern, gegen beide hat er eine negative Bilanz, und so erinnerte die Szenerie ein wenig an den Wilden Westen, denn Haas knurrte: „Ich hab mit beiden noch ’ne Rechnung offen.“

Mit Nalbandian war dagegen alles geklärt. Haas hatte sich vom Verlust des ersten Satzes nach unsicherem Beginn nicht verwirren lassen, hatte von Anfang bis Ende stark aufgeschlagen und hatte schließlich auch körperlich den stärkeren Eindruck gemacht als der Argentinier, der im vergangenen Jahr an gleicher Stelle Halbfinalist war. Teamchef Patrik Kühnen verfolgte das Geschehen in der ersten Reihe, freute sich über den Auftritt seiner Nummer eins und lobte später: „Es war sehr beeindruckend, wie Tommy das Ding umgebogen hat. Man sieht, dass er im Winter gut gearbeitet hat.“

Arbeit – das ist das richtige Stichwort für Nikolai Dawidenko. Haas musste ein paar Stunden warten, bis feststand, dass der Russe den Wettbewerb bei der Wahl der unbeliebten Gegner gewonnen hatte. Dieser blasse, schmale Mann, der mit seinem schütteren Haar eher wie 35 als 25 wirkt, ist nach guter russischer Tradition so etwas wie ein Held der Arbeit. Keiner aus den Top Ten des Tennis spielt mehr als Dawidenko, keiner reist öfter von Turnier zu Turnier.

Typisch ist, wie das Jahr 2006 im Hause Dawidenko zu Ende ging. Ende November heiratete er, ein paar Tage später half er der russischen Mannschaft dabei, den Davis Cup gegen Argentinien zu gewinnen, danach begann gleich wieder die Vorbereitung auf die neue Saison. Auf die Frage, ob da noch für Flitterwochen Platz gewesen sei, ließ Dawidenko ein amüsiertes: „Ha, ha, ha“ hören und meinte dann: „Flitterwochen und Vorbereitung auf die Saison waren dasselbe.“ Nun ja, Irina Dawidenko wird schon wissen, worauf sie sich eingelassen hat, und Nikolai weiß, dass er für seine schweißtreibende Art des Spiels ausgeprägte Grundlagen braucht.

Zweimal hat Haas bisher gegen den Russen gespielt: Bei den French Open 2005 verlor er in drei Sätzen – davon die letzten beiden jeweils 0:6. Das ist fast vergessen, aber an das Viertelfinale der US Open vom vergangenen Jahr erinnern sich beide noch sehr gut. Haas führte 2:0 nach Sätzen, hatte dann aber, mit zwei schweren Fünf-Satz-Spielen zuvor in den Beinen, weder die Kraft noch die Konzentration, daraus einen Sieg zu machen. Was Dawidenko noch heute wundert. „Da hatte er seine Chance. Ich dachte, ich würde in drei Sätzen verlieren, weil ich nicht besonders gut gespielt habe. Er hat geführt, und was dann passiert ist, weiß ich nicht.“

Was Thomas Haas am Spiel des Russen nicht mag, was ihm nicht liegt? „Es ist hässlich“, sagte er in Melbourne. Dann merkte er, dass das nicht ganz der richtige Ausdruck ist, und korrigierte: „Nicht hässlich – er kriegt halt jeden Ball zurück und prügelt ihn rein.“ DORIS HENKEL