Greis am Kreis

Christian Schwarzer wollte die Handball-Weltmeisterschaft als Fernsehkommentator aus der Distanz erleben, doch nun steht er im Kader. Der 37-Jährige hat sich bei Dirk Nowitzki in Dallas fit gemacht

AUS HALLE ANDREAS RÜTTENAUER

Er hatte es sich bequem gemacht. Christian Schwarzer saß beim Spiel der deutschen Handballnationalmannschaft gegen Argentinien – für beinahe jeden in der Arena von Halle zu sehen – hinter der Glasfront des ZDF-Studios. Breitbeinig hatte er sich während der Partie hinter die Glasscheibe gefläzt. In der Pause und nach der Begegnung richtete er sich auf und gab seine Kommentare ab zu den Spielzügen der deutschen Handballer unten auf dem Feld. Wenige Stunden nach dem Sieg (32:20) erfuhr er dann, dass er das nächste Spiel der Deutschen gegen Polen (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet) nicht mehr aus der Beobachterposition erleben wird.

Christian Schwarzer, 37, Europameister und Silbermedaillengewinner bei Olympia 2004, ist zurück im Kreis der deutschen Nationalmannschaft. Geahnt hatte er es schon, bevor ihn Bundestrainer Heiner Brand am Sonntag kurz nach 22 Uhr angerufen hatte. „Auf den Anruf habe ich schon gewartet“, habe er zu Brand gesagt, verrät Schwarzer.

Andrej Klimovets, der Kreisläufer, hatte sich beim Aufwärmen vor dem Spiel gegen Argentinien verletzt. „Ich habe sofort gespürt, dass es etwas Schlimmeres ist“, sagte er, bevor er zur Kernspintomografie in ein Krankenhaus gebracht wurde. Christian Schwarzer war schnell klar, was das für ihn bedeuten könnte. Bald stand fest, dass Klimovets gegen Polen nicht würde mitwirken können. Eine Zerrung in der rechten Wade wurde diagnostiziert. Klimovets steht bis auf weiteres nicht zur Verfügung. Heiner Brand dachte nicht lange nach. „Das war die logische Konsequenz“, sagte er, nachdem er Schwarzer nachnominiert hatte. Schließlich sei der erfahrene Handballer (302 Länderspiele) der einzige Kreisläufer im erweiterten 28-Spieler-Kader, den Brand im November beim Internationalen Handballverband (IHF) angemeldet hatte.

Dass es überhaupt die Möglichkeit gab, noch während der Vorrunde einen Spieler zu benennen, lag an Brands Entscheidung, für das Turnier zunächst nur 15 statt der erlaubten 16 Spieler zu berufen. Bis Sonntag um 22 Uhr hatten die Deutschen noch die Möglichkeit, einen weiteren Spieler zu melden. Noch bevor Heiner Brand bei Christian Schwarzer angerufen hat, wurde der schon bei der IHF als 16. Spieler eingetragen. Der Bundestrainer stellte den Rückkehrer vor vollendete Tatsachen.

Das Projekt Comeback startete also. Ein Trikot musste beim Ausrüster angefordert werden. Schwarzer sollte die Rückennummer 41 bekommen, die Nummer, mit der Dirk Nowitzki die Basketballwelt erobert hat. Den hat Schwarzer vor einer Woche in den USA besucht. Sechs Tage war er in den Staaten unterwegs. Die Frage, ob er für eine WM überhaupt fit genug ist, drängte sich auf. „In Dallas habe ich auf dem Laufband trainiert“, wehrte Schwarzer gestern Vormittag alle Bedenken ab. Seit dem 17. Januar ist er beim TBV Lemgo wieder im Training.

Um 9.45 Uhr traf er gestern im Mannschaftshotel in Halle ein. Erster Termin mit dem Team: das Frühstück. Ein Training war für den Montag nicht vorgesehen. Brand hatte schon im Vorfeld der WM gesagt, dass einer wie Schwarzer nie Probleme haben würde, in die Mannschaft zu finden. „So viel hat sich da nicht geändert“, sagte auch Schwarzer selbst vor dem Spiel gegen Polen. Er geht zunächst davon aus, dass er nur eine Partie für die Deutschen bestreiten wird. Dem verletzten Kliomovets wünscht er jedenfalls nur das Beste und hofft mit ihm, dass die Zerrung bald schon nicht mehr zu spüren sein wird. Sollte Klimovets wirklich wieder fit werden, könnte Schwarzer auch wieder als ZDF-Kommentator arbeiten. „Das Zweite ist erst wieder am Donnerstag dran“, so Schwarzer.

Während sich der Rückkehrer also im Kreise der Mannschaft auf das Spiel vorbereitete, sprach in Halle alles über den alten Neuen. Der ist beim benachbarten TBV Lemgo einer der großen Publikumslieblinge. Kurz vor 17 Uhr war es dann so weit. Die Mannschaften wurden vorgestellt. Besonders laut wurde es, als Schwarzer ins Publikum grüßte. Das Comeback konnte beginnen.