DER ALLTAG IST ZURÜCK
: Nur die Argentinier waren noch da

ANDREAS BEHN

Die WM ist vorbei? In Brasilien, das stand hier ja in jeder Zeitung, war sie schon am Dienstagabend vorbei. In Rio de Janeiro jedenfalls ist schon so ziemlich Alltag eingekehrt. Zum zweiten Halbfinale am Mittwoch wollte ich in meiner Lieblingskneipe etwas verspätet Mittag essen, doch da waren nicht einmal die Fernseher ausgeklappt. Drei Geräte hatte der Inhaber für die Weltmeisterschaft angeschafft, einer größer als der andere, in Erwartung vieler Gringos, die sich dort tummeln würden. Bei ihm, mitten im Zentrum, aber zwei Straßen abseits, kamen nicht so viele vorbei. Doch kaum wurde ich und mein fragender Blick erspäht, verstand er und schaltete wenigstens ein Gerät ein.

Einsam war’s, aber die Sicht war bestens, kein Trubel, außer einigen Passanten, die kurz auf das Geschehen lugten und weitergingen.

Auch das größte Übel dieser Stadt ist bereits zurückgekehrt, Tage vor dem Endspiel: der Verkehr, besser gesagt der Stau. Das war während der Spiele netter. Schulferien, Feiertage, viele großräumige Absperrungen und das Gefühl ständigen Ausnahmezustands hatten zu einer Entspannung beigetragen. Fußgänger wie Autofahrer waren relaxter.

Jetzt ist wieder alles beim Alten. Einmal zum Flughafen und zurück, keine 40 Kilometer, dauerten am Donnerstag fast vier Stunden Fahrzeit. Die Hektik sei gar nicht notwendig gewesen, wurde mir Stunden später gesimst: Auch die KLM-Belegschaft war im Stau verschollen gewesen, und der Flug ging zwei Stunden später los.

Aber es war nicht nur der normale Verkehr. Die, die es sich leisten können, flüchteten offenbar aus der Stadt. Das Wochenende wollten sie in den Bergen oder am Strand verbringen, da kommt man meist am Flughafen vorbei. Sie flüchteten vor dem Endspiel, vor dem allerallergrößten Polizeiaufgebot dieser WM und vor dem zerschossenen Plan, das Spiel wieder an der Copacabana zu sehen. Dorthin sind im Laufe der WM immer mehr Leute gepilgert, wenn Brasilien spielte, so wie sonst nur zu Silvester. Dabei sein, flanieren, sich zeigen – dafür ist dieser Strand bestens geeignet, es wurde schon fast zur Gewohnheit, einer angenehmen. Also nichts wie weg.

Dumm nur, dass die Argentinier noch da sind. Zwar hat es mich gefreut, dass sie noch einmal spielen durften, aber sie haben mich jede Nacht um den Schlaf gebracht. Auch sie liebten die Copacabana, wohnen durften sie da mit ihren Campingbussen und Zelten aber schon lange nicht mehr. Sie wurden verlagert, und zwar auf die Betonpiste des Sambodromos, wo erst zu Karneval wieder was los sein wird. Das liegt noch jenseits des Zentrums, aber nicht weit genug, sodass sie problemlos jeden Nacht in den Musikschuppen feierten, die sonst nur am Freitag und Samstag unter meinen Fenster wummern. Das ist wie die Rest-WM heute vorbei.