STIMMEN AUS BRASILIEN
: Die Schuldfrage

SÜHNE Nach dem 0:3 gegen Holland üben sich die Spieler der Seleção in Selbstkritik. Trainer Felipão betont „positive Aspekte“

Endlich vorbei, dachte man, als das Spiel gegen die Niederlande abgepfiffen war, und man meinte die gesamte WM. Die Demontage der Seleção war kaum mit anzusehen. Jetzt können die Brasilianer ihre Wunden lecken und versuchen zu vergessen.

Gleichzeitig fordert das Volk ein Menschenopfer. Wer läge da näher als der Trainer, Luiz Felipe Scolari? Die Zeitungen sind sich einig. Auch die Fans im Stadion Mané Garrincha brachen in lautes Pfeifen aus, als Scolari auf dem Bildschirm zu sehen war.

Der selbst blieb bei der Pressekonferenz nach dem erneuten Debakel gelassen. „Das 1:7 war die schlimmste Niederlage in der Geschichte, das weiß ich, aber ich möchte auch die positiven Aspekte berücksichtigen: Zur WM 2006 und 2010 haben wir das Halbfinale nicht erreicht.“ Auch an den Spielern habe es nicht gelegen: „Diese jungen Männer haben mein Vertrauen. Sie haben gute Qualitäten, und wenn sie in ihren Klubs und in der Seleção weiterarbeiten, ist der Weg für eine bessere Mannschaft für 2018 offen“, betonte Scolari.

Die Spieler wiederum zeigten sich zerknirschter. Stürmer Hulk, auf den die Fans schon im Stadion verbal eindroschen, hat keine Erklärung. „Wir wollten die Schande im Spiel um Platz drei ein bisschen wiedergutmachen, und dann passiert so was. Wir müssen erhobenen Hauptes um Verzeihung bitten.“

Auch Kapitän Thiago Silva entschuldigte sich: „Am Ende wurden wir ausgebuht. Das ist normal, wenn auch sehr traurig.“

Noch-Trainer Scolari sagte, der brasilianische Fußballverband CBF entscheide über seinen weiteren Verbleib. Dessen Präsident, José Maria Marin, hat sich bereits für Scolaris Verbleib ausgesprochen. Und auch der verletzte Superstar Neymar erwies seinem Trainer eine Solidaritätsbezeugung: Er platzte mitten in die Pressekonferenz rein und umarmte Scolari demonstrativ.

SUNNY RIEDEL