… DER SAUBERKEITSBEWUSSTE BERLINER?: Nazis und Hundedreck eintüten
Kacke ist braun. Nazidenke ist braun. Beides nervt, beides muss weg. Könnte man das nicht in einem, nun ja, Aufwasch erledigen? So oder so ähnlich müssen die Gedanken durch die Hirne der Kreativen von Draftfcb, einer der großen Werbeagenturen in Deutschland, gewandert sein. Was hinten dabei herauskam? Ein Beutel. Ein brauner Beutel.
„Das Braune muss weg“, steht in weißen Lettern auf den braunen Beuteln aus dünnem Kunststoff. Sie stecken in Beutelspendern, die stadtweit in Grünanlagen und Parks auf Kundschaft warten, Kundschaft in Form von Hundehaltern, die die Ausscheidungen ihrer Zöglinge vorbildlich in leise knisterndes Plastik hüllen und einem Müllbehälter anvertrauen wollen.
Aufgestellt werden die Beutelspender vom „Projektbüro stadt&hund“, einer gemeinnützigen GmbH mit Sitz in Neukölln, die seit 2003 gegen den braunen Regen kämpft, der tagtäglich und unerbittlich auf Berlins Gehwege und Straßen fällt. Gebucht werden die Kotkiller von Wohnungsbaugesellschaften, Quartiersmanagern, Gewerbetreibenden und anderen, die etwas für die zumindest punktuelle Hebung der städtischen Oberflächenqualität tun wollen. Nicht weniger als 4 Millionen Tüten gibt stadt&hund alljährlich aus, schätzungsweise 95 Prozent davon werden ordnungsgemäß befüllt.
„Wir wollen nicht nur, dass der Kot von der Straße verschwindet“, sagt stadt&hund-Geschäftsführer Christof Wüllner, „wir wollen auch, dass sich in den Köpfen etwas verändert.“ Genau da mochten offensichtlich auch die Werber von Draftfcb ansetzen. „Corporate Social Responsibility“ ist das Wort der Stunde – Firmen tun Gutes und reden darüber. In diesem Fall haben die Kreativen das Layout sowie den Druck von 50.000 Beuteln spendiert, die beim Kackewegmachen gleich noch einen politischen Denkanstoß geben sollen.
Wie immer bleiben Fragen offen: Fühlen sich Schäferhunde und Dobermänner jetzt als Nazis diffamiert? Versuchen übereifrige Bürger, Rechtsextreme in die Beutel zu stopfen? Oder werden – was durchaus realistisch zu sein scheint – die braunen Tüten als Sammlerobjekte zweckentfremdet? Zumindest Letzteres lässt stadt&hund-Geschäftsführer Christof Wüllner kalt: „Wenn die Resonanz gut ist, werden wir uns um einen kostengünstigen Nachdruck bemühen.“ CLP
Foto: draftfcb
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