LESERINNENBRIEFE
:

Oxbridge bleibt Oxbridge

■ betr.: „Mit eisernem Besteck“, taz vom 8. 7. 14

Allein wenn man Wehlers vorletztes Buch liest – seine Studie zum Thema soziale Ungleichheit in Deutschland („Die neue Umverteilung“, 2013) –, dann erweist sich das im Nachruf gefällte Urteil, dieser hervorragende Historiker habe „am Ende die Republik nicht mehr verstanden“, als krasses Fehlurteil. Wehler hat die Realität nur nicht so verstanden, wie ein taz-Redakteur sie gerne sehen möchte.

Was die Debatte über den EU-Beitritt der Türkei betrifft, so lässt sich Erdogans Politik seit geraumer Zeit als Beleg für die Wehler’schen Aversionen interpretieren. – By the way: Der „Oxford-Historiker“ Richard Evans, der zum Schluss als Zeuge für Wehlers polemisches Potential zitiert wird, lehrt seit 1998 in Cambridge. Aber Oxbridge bleibt eben Oxbridge … WOLFGANG STENKE, Evessen

Kleines System

■ betr.: „Das Wunder von Neukölln“, taz vom 9. 7. 14

Anna Lehmann beschreibt und kommentiert die Entwicklung in Berlin auf den Punkt. Neben engagiertem, multiprofessionellem Personal braucht es Stiftungsmittel (warum wird eine solche Vorzeigeentwicklung nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert?) und bildungspolitischen Mut das vielgliedrige Bildungswesen auf zur Zeit gesellschaftlich vertretbare zwei Schulformen (Gemeinschaftsschule und „die heilige Kuh“ Gymnasium) zu reduzieren. In einem kleinen System mit kleiner Oberstufe (23 AbiturientInnen) kann man sich dann um alle gleichermaßen kümmern und ihren individuellen Bedingungen gerecht werden.

Leider gibt es in NRW trotz grün-roter Landesregierung den „viel gerühmten“ Bildungskonsens mit der CDU, der alle bildungspolitischen Neuerungen mit Mehltau überzieht und viel zu häufig zum Scheitern bringt. Stattdessen feiern die Bildungstechnokraten fröhliche Urstände, in dem sie nur darauf achten, dass man die Gymnasialeltern (meist die Stammwählerschaft von Grün-Rot) unterstützt, in ihren Bemühungen die Eliteerziehung ihrer Kinder nicht zu gefährden. Oder wie man über riesige Systeme (6-zügige Gesamtschulen) die Effizienz der Abschlüsse garantiert. Wem dient das eigentlich? Ganz bestimmt nicht den Eltern, die in der Rütli-Schule andere Werte als frühe Auslese, homogene Lerngruppen und Einheitlichkeit finden. Kurz: eine auf Durchlässigkeit, Wertschätzung und Individualität ausgerichtete Schule, die sich einem solidarischen Gesellschaftsbild verpflichtet fühlt. KALLE NEUBERT, Münster

Negativ überrascht

■ betr.: „Flüchtlinge über Berlin“, taz vom 5. 7. 14

Es hat mich negativ überrascht, den Artikel zu lesen. Der Eindruck der besonders auch mit den paar zitierten Sprachfetzen der durch die Umstände in ihrer Ruhe gestörten Anwohner vermittelt werden sollte, war doch ganz klar negativ gegen Afrikaner, Schwarze werden sie im Artikel immer wieder genannt. Tausend Afrikaner sind an einem Einwohner allein in einer Nacht vorbeigelaufen und natürlich haben alle mit Drogen gehandelt. Mit offenem Herzen ist man nach Kreuzberg gezogen und jetzt das. Und ich lebe in Schwaben und weiß, was die Berliner auch durch uns aushalten müssen.

ELFRIEDE OLUFODUN, Weinstadt

Rückständige Methoden

■ betr.: „Nahost. Radikaler als die Hamas“, taz vom 11. 7. 14

Die Eskalation zwischen Israel und der Hamas in Gaza war abzusehen. Zum einen weil die Hamas, die bei normalen Regierungsgeschäften immer versagt hat, schlicht nichts kann außer Terror und Gewalt. Zum anderen, weil die rechtskonservative Regierung in Israel von Beginn an die Einheitsregierung in Palästina zerstören wollte. Die alten Männer, mit ihren rückständigen Methoden und ihrem rückwärtsgewandten Denken, versagen seit Jahrzehnten an ihrer eigentlich als Politiker zentralen Pflicht gegenüber der Bevölkerung: Frieden und Freiheit dem Volk und den Nachbarn zu bringen und zu erhalten! Das geht aber nicht mit religiösen Fanatikern mit zu viel Einfluss in beiden Regierungen. MARKUS MEISTER, Kassel

Großes Lob

■ betr.: „Deutsche Firmenerben müssen bangen“, taz vom 9. 7. 14

Die heutige taz möchte ich zum Anlass nehmen, um mal ganz generell die Bildredaktion zu loben. Auf Seite 2 ist unter dem Titel „Deutsche Firmenerben müssen bangen“ das Foto einer Bauernfamilie in Friesland abgebildet. Ich habe schallend gelacht. Immer wieder fällt mir auf, wie witzig, treffend, ironisch und vieldeutig die kommentierende Bildauswahl ist. Großes Lob an eine Arbeit, die meist nicht bewusst wahrgenommen und nur kommentiert wird, wenn das individuelle Geschmacksempfinden gestört wurde. BÄRBEL LUTZ-SAAL

Antiaufklärerisch

■ betr.: „Ab heute wird zurückspioniert“, taz vom 8. 7. 14

Auch auf die Gefahr, dass schon andere Alte grantelten: „Ab heute wird zurückgeschossen“ – das war widerlicher totalitärer „Neusprech“ über die Leichen erschossener kostümierter Strafgefangener hinweg (Aktion Sender Gleiwitz). Jede verbale Annäherung ist da so antiaufklärerisch, wie manche inflationäre Verwendung des „Faschismus“ durch Linke. HEINZ GROSSMANN, Kronberg