Die kleine Wortkunde[Seuchenvogel]

Dass der Fußball eine gewisse Affinität zum Aberglauben aufweist, ist bekannt. Blaue Pullis, goldene Schuhe, grüne Krawatte, ein Bild des Papstes in der Hosentasche – ein jeder hat so seinen Glücksbringer. Dumm nur, wenn der persönliche Pechbringer ebenso ungebeten wie hartnäckig genau dann auftaucht, wenn man ihn am wenigsten brauchen kann. BSB-Trainer Jürgen Klopp hat einen solchen Pechbringer, der heißt Stephan Mai und ist SWR-Reporter. Wenn Mai auftaucht, dann kann Klopps Team nicht gewinnen.

Mai taucht aber seit Jahren bei Spielen von Klopp auf, denn das ist sein Beruf, er ist nun mal Sportreporter. Als Dortmund wieder nur ein 1:1 zustande brachte und Mai um ein Interview bat, platzte Klopp der Kragen: Einen „Seuchenvogel“ schimpfte er den Journalisten vor laufender Kamera: „Ihr habt 50 Leute beim SWR – und du kommst.“

Was genau man sich unter einem Seuchenvogel vorstellen soll, konnte leider nicht geklärt werden. Im Hochdeutschen ist dieser Begriff eher ungewöhnlich und lässt sich etwa mit „Idiot“ übersetzen. Nett ist es jedenfalls nicht. Klopps Wortgewalt eröffnet also das freie Spiel der Assoziationen: Manchmal greift das Pech eben um sich wie eine Seuche. Es bedient sich des Journalisten wie die Pest der Rattenflöhe. Dass Mai absichtlich gekommen sei, um dem BVB Unglück zu bringen, ist allerdings eine üble Unterstellung. Schließlich taucht selbst eine Seuche nicht auf, um ihre Wirte zu piesacken, sondern weil sie sich dort wohl fühlt. Vielleicht sollte Klopp einfach gegen seinen Aberglauben kämpfen als gegen den armen Unglücksreporter. Ist man jedoch einmal in der Schleife der sich selbst erfüllenden Prophezeiung gefangen, kommt man schlecht wieder heraus.

Gegen Aberglauben lässt sich bekanntermaßen schlecht argumentieren, aber vielleicht lässt sich der Teufel mit dem Beelzebub austreiben und ein Aberglaube gegen den anderen ersetzen: Ein Maskottchen gegen Seuchenvögel wäre eine Idee.CARMEN REICHERT