Klares „Njet“ zu US-Raketenabwehrsystem

Pläne des Pentagons, in Polen und Tschechien US-Radartechnik zu installieren, stoßen in Moskau auf scharfe Kritik

WARSCHAU taz ■ Polen soll europäischer Stützpunkt des US-Raketenabwehrsystems werden. In den nächsten Tagen will Washington der polnischen Regierung konkrete Vorschläge zum genauen Standort der unterirdischen Raketen-Silos unterbreiten, von wo aus künftig feindliche Interkontinental-Raketen abgeschossen werden könnten. „Um ehrlich zu sein“, meinte ein polnischer Minister, der ungenannt bleiben wollte, gegenüber der konservativen Rzeczpospolita: „Wir waren sehr überrascht über diesen Vorschlag.“

Zwar führt das Pentagon in Washington bereits seit 2002 Gespräche mit Polen und anderen europäischen Staaten über das geplante Raketenabwehrsystem. Doch nach einem ersten konkreten Vorschlag Ende 2005 schliefen die Verhandlungen wieder ein. So schien es zumindest. In Tschechien und Polen, den beiden vom Pentagon bevorzugten Ländern für die neuen Militärbasen, sprachen sich die Bevölkerungen in ihrer überwiegender Mehrheit gegen die Stationierung amerikanischer Raketen in ihren Ländern aus. Doch das Pentagon scheint nur auf die Wahlen in beiden Ländern und eine halbwegs stabile politische Lage gewartet zu haben.

Denn inoffiziell wurde der amerikanische Vorschlag schon jetzt bekannt: In Nordpolen soll eine Raketenabschussrampe gebaut werden, die mit einem in Tschechien stationierten Radarsystem zusammenarbeiten soll. Mirek Topolanek, Tschechiens Premier, kündigte bereits an, sich in dieser Frage so rasch wie möglich mit seinem Amtskollegen in Polen Jarosław Kaczyński kurzschließen zu wollen.

„Wenn einer von uns zu dem Schluss kommen sollte, dass die amerikanischen Bedingungen nicht zu akzeptieren sind, dann könnte das gesamte System – also Radar und Abschussrampe – in einem Land stationiert werden, zum Beispiel in Polen“, erklärte ein Teilnehmer an früheren Gesprächen über den Raketenabwehrschild. Er gehe davon aus, dass die nun erneuerten Gespräche noch in diesem Halbjahr abgeschlossen werden könnten.

Da Polen im Fall eines Krieges der USA gegen den Iran oder Nordkorea zu einem der ersten Kriegsziele dieser Länder würde – als Erstes müsste der amerikanisch-europäische Raketenabwehrschild zerstört werden –, drängte Polens Regierung im Herbst 2005 darauf, dass amerikanische Kurzstreckenraketen vom Typ Patriot die Anlage in Polen schützten. Zudem will das Land stärker von der Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst im Osten profitieren, wie die Gazeta Wyborcza schreibt.

Die USA sollten Polen auch in seinem Bestreben unterstützen, Bodenaufklärungstruppen der Nato in Polen zu schulen und zu stationieren. Während im letzten Jahr der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nur kühl auf diese Forderungen seines polnischen Kollegen Radosław Sikorski reagierte, signalisierte nun Daniel Fried, der US-Botschafter in Warschau, grünes Licht für ein Entgegenkommen der Amerikaner.

Das scharfe „Njet“ aus Moskau allerdings war auch nicht zu überhören. Das Vorhaben verfolge nicht die Interessen der globalen Sicherheit, sagte Vizeaußenminister Sergej Kisljak gestern in Moskau. Jedes Land habe ein Recht auf Verteidigung, sagte Kisljak nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax weiter. Dadurch dürfe jedoch kein Gefühl der Gefahr bei den Nachbarländern entstehen. Russland sehe keine überzeugenden Argumente für das Raketenabwehrsystem. Der Befehlshaber der russischen Weltraumraketentruppen, Wladimir Popowkin, hatte am Montag gesagt, die Washingtoner Pläne zielten nicht, wie von den USA angekündigt, auf iranische, sondern auf russische Raketen ab. GABRIELE LESSER