Geänderte Wünsche

TURBO-ABITUR Die G9-Initiative hat ihre Vorlage für ein Volksbegehren gegenüber der Volksinitiative vor einem Jahr geändert. Nun ist die Frage, ob das juristisch zulässig ist

Die Volksinitiative war die erste Stufe des dreistufigen Volksgesetzgebungsverfahrens

Wenn die Initiative „G9-Jetzt-HH“ im Herbst die für ein Volksbegehren nötigen 63.000 Unterschriften sammelt, lesen die Bürger einen anderen Text als bei der Volksinitiative vor einem Jahr. Die Volksinitiative war die erste Stufe des dreistufigen Volksgesetzgebungsverfahrens. Unter Juristen gibt es Zweifel, ob eine solche Änderung zulässig ist.

Damals wie heute fordert die Initiative ein Wahlrecht zwischen dem neunjährigen (G9) und dem achtjährigen (G8) Gymnasium für alle Eltern an allen Gymnasien. Doch der Zusatz, es solle auch allen Schülern, die zum Zeitpunkt der G9-Wiedereinführung im G8 lernen, der Wechsel möglich sein, fehlt. Statt dessen gilt diese einmalige Option nur für die 5. bis 7. Klassen. Ansonsten sollen Eltern die Wahl zwischen G8 und G9 bei der Anmeldung zur 5. Klasse treffen.

“Das ist in Ordnung“, sagt der Hamburger Verfassungsrechtler Ulrich Karpen. „Kleinere Modifikationen“ an der Vorlage seien einer Volksinitiative erlaubt. Das sieht auch das Landeswahlamt so, bei dem sich die Initiative beraten ließ. Laut Paragraf 6 des Volksabstimmungsgesetzes müssen bei einer Änderung „Grundcharakter, Zulässigkeit und Zielsetzung“ des Anliegens erhalten bleiben. „Nach unserer Auffassung sind diese Grenzen nicht überschritten“, sagt Leiter Oliver Rudolf.

Binnen 30 Tagen können nun der Senat oder die Bürgerschaft das Verfassungsgericht anrufen, falls sie Einwände haben. Die Parteien aber sind zurückhaltend. SPD und FDP sehen keine juristischen Bedenken und wollen sich lieber politisch auseinandersetzen. Die CDU-Politikerin Karin Prien hingegen sagt, „wir sind dabei, das zu prüfen“. Die knapp 17.000 Unterstützer der Volksinitiative hätten „für etwas anderes unterschrieben“.

Der Heidelberger Verfassungsrechtsexperte Uwe Lipinski sieht hier das Problem. Die erwähnten Punkte seien keine „kleinen Modifikationen“, sondern „starke inhaltliche Änderungen“. Er hat „erhebliche Zweifel“, ob die Vorgaben des Paragrafen 6 eingehalten werden. Diese Vorschrift müsse restriktiv gehandhabt werden. Da auch vor der dritten Stufe, dem „Volksentscheid“, der Text überarbeitet werden kann, bestehe die Gefahr, dass das Volk am Ende über etwas anderes abstimmt, als die ersten Unterzeichner wollten.

Weil es dazu noch keine gefestigte Rechtssprechung gibt, wäre eine Anrufung des Verfassungsgerichts „begrüßenswert“, so Lipinski. Nötig sind dafür ein Fünftel der Abgeordneten. Bürger dürfen Volksentscheide nur im Nachhinein anfechten. KAIJA KUTTER