ERICH RATHFELDER ZUM AUSGANG DER WAHL IN SLOWENIEN
: Eine neue Moral muss her

Sicherlich haben die Wähler Sloweniens mit dem frischen Juristen Miro Cerar die Tür für eine positive Entwicklung geöffnet. Vor allem, weil Cerar ideologisch zu keinem der untereinander verfeindeten Lager zu rechnen ist. „Grün-links“ passt nicht so recht, um ihn zu beschreiben; „zentristisch“ aber auch nicht: Der Mann hat ganz eigene Vorstellungen von einer demokratischen Gesellschaft.

Korruption und Vetternwirtschaft in Sektoren, die zu sehr mit der staatlichen Wirtschaft verbunden sind, hat das Parteiensystem in Slowenien geformt, hat bei den sich abwechselnden linken wie rechten Regierungsparteien der letzten Jahrzehnte den Boden für Misswirtschaft geschaffen. Cerar wird von dem Wunsch getragen, endlich für rationale und transparente Entscheidungsstrukturen im Staate und eine neue politische Moral zu sorgen. Das stünde einer Gesellschaft auch gut zu Gesicht, die sich anders als das Nachbarland Ungarn demokratisch fortschrittlich weiterentwickeln will.

Aber die Wahlbeteiligung von 39 Prozent weist in eine andere Richtung. Sie eröffnet dem neuen Regierungschef nur kurzfristig eine Chance – nicht mehr. Die Stimmung kann nämlich schnell wieder umschlagen, wie die jüngste Vergangenheit im Falle der Partei „Positives Slowenien“ gezeigt hat. Wenn Cerar Kürzungen im Staatshaushalt und Privatisierungen in der Wirtschaft vornimmt, könnte er bald dastehen wie seine Vorgängerin Alenka Bratusek: Die war zwar erfolgreich dabei, den Bankensektor zu sanieren. Aber sie wagte sich auch mit der Privatisierung von Staatsbesitz an Besitzstände wichtiger Bevölkerungs- und Interessengruppen.

Für den Neuen kommt es darauf an, eine stabile Regierung zu bilden, die auch den Lobbyisten entgegentritt; eine Regierung, die trotz negativer Umfragen ihre Politik verstetigt.

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