Zurück in die Fuffziger

1.200 Tage vor der NRW-Wahl 2010 streiten CDU-Ministerpräsident Rüttgers und seine neu gewählte SPD-Herausforderin Kraft erstmals im Landtag. Gegenseitig werfen sich beide veraltete Konzepte vor

AUS DÜSSELDORFMARTIN TEIGELER

Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft üben für den Wahlkampf 2010. Vierzig Monate vor der nächsten NRW-Landtagswahl im Mai 2010 lieferten sich der CDU-Ministerpräsident und seine frisch gewählte SPD-Gegenkandidatin gestern ein Rededuell im Parlament – mit ähnlichen Argumenten. Kraft warf Rüttgers wegen der Schulreform eine „Bildungspolitik der 50er Jahre“ vor. Der Regierungschef attestierte der Herausforderin, die SPD ideologisch „zurück in die 50er Jahre“ zu führen.

Anlass für den Streit der Spitzenpolitiker war die Verabschiedung des Landeshaushalts 2007. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU und FDP wurde der Etatplan für das laufenden Jahr beschlossen. Die Landesregierung wird demnach 49,6 Milliarden Euro ausgeben. Die Neuverschuldung liegt bei 3,2 Milliarden Euro. SPD und Grüne stimmten gegen den Haushalt.

Den Anfang in der mehrstündigen Generalaussprache über die Politik der konservativ-liberalen Regierung machte SPD-Partei- und Fraktionschefin Kraft. Sie warf der Regierung Rüttgers eine „unsoziale Politik der Täuschung und Enttäuschung“ vor. Im Mittelpunkt der schwarz-gelben Politik stehe die „Ideologie des Marktes, nicht der Mensch“. Die CDU-Fraktion reagierte auf Krafts Vortrag mit lauten Zwischenrufen und Dauergelächter. In der Schulpolitik hantiere die Regierung mit „Konzepten von gestern“, sagte Kraft. Statt wie CDU und FDP am dreigliedrigen Schulsystem festzuhalten, schlage die SPD eine „Gemeinschaftsschule“ vor. Rüttgers mache eine „mutlose und verantwortungslose Kürzungspolitik“ auf Kosten von Kindern und Jugendlichen.

Auf Kraft reagierte zunächst nicht Rüttgers, sondern der CDU-Fraktionsvorsitzende Helmut Stahl. Er wies Krafts Attacken als „Flachsinn“ zurück und verteidigte die Sparpolitik der Mehrheitsfraktionen. Die Haushaltskonsolidierung habe dem Land Zinsersparnisse in Höhe von 140 Millionen Euro verschafft, so Stahl. Davon könnten 2.800 Lehrer bezahlt werden.

Grünen-Fraktionsschefin Sylvia Löhrmann spottete über den „Hobby-Sozialisten Jürgen Rüttgers“. Der Ministerpräsident inszeniere sich als „Arbeiterführer“, verursache aber in NRW höhere Kindergartenbeiträge und beschneide die Mitbestimmungsrechte in der Landesverwaltung. Das sei unglaubwürdig.

FDP-Fraktionschef Gerhard Papke feierte dagegen die Zwischenbilanz der „Koalition der Erneuerung“. Stolz verwies er auf sinkende Arbeitslosenzahlen und steigendes Wirtschaftswachstum. Dass der Aufschwung nicht allein schwarz-gelbes Verdienst ist, ließ der Liberale nicht unerwähnt und sprach vom „Glück des Tüchtigen“. Mit ihrer Sparpolitik beende die Koalition „die hemmungslose Verschuldungpolitik von Rot-Grün“.

Als letzter Hauptredner sprach Ministerpräsident Rüttgers. Seit dem Machtwechsel 2005 sei in Nordrhein-Westfalen „mehr positiv verändert worden als in zehn Jahren Rot-Grün“. Rüttgers gratulierte Kraft zur Wahl als SPD-Chefin: „Das ist ein verantwortungsvolles Amt.“ Zugleich lud er die Herausforderin zu einer „Debatte über die besten Lösungen“ ein. Bislang fielen die SPD-Vorschläge „hinter alles zurück, was Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück vertreten haben“.